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Am ersten Todestag von Don Bosco wollten seine Alten Schüler das Fest der Anerkennung weiterhin wie jedes Jahr am 24. Juni feiern und organisierten es für den neuen Generaloberen, Don Rua.
Nachdem sie am 23. Juni 1889 einen Gedenkstein in der Krypta von Valsalice, wo Don Bosco begraben war, aufgestellt hatten, feierten sie am 24. Juni Don Rua in Valdocco.
Professor Alessandro Fabre, ein ehemaliger Schüler von 1858-66, ergriff das Wort und sagte u.a.:
„Es wird Ihnen gar nicht so unlieb sein zu erfahren, verehrter Don Rua, dass wir beschlossen haben, als Anhang am nächsten 15. August eine weitere Gedenktafel einzuweihen, deren Auftrag bereits erteilt wurde und deren Entwurf hier wiedergegeben ist, und die wir an dem Haus anbringen werden, in dem unser lieber Don Bosco geboren wurde und viele Jahre gelebt hat, damit der Ort, an dem das Herz dieses großen Mannes, der später Europa und die Welt mit seinem Namen, seinen Tugenden und seinen bewundernswerten Einrichtungen erfüllen sollte, ein Wegweiser für die Zeitgenossen und die Nachwelt bleibt, ein Ort bleibt, an dem es zuerst für Gott und für die Menschheit geschlagen hat“.
Wie man sieht, war es die Absicht der Alten Schüler, eine Gedenktafel an der Casetta dei Becchi (Becchi-Häuschen) anzubringen, die von allen als Don Boscos Geburtshaus angesehen wird, da er sie immer als sein Zuhause bezeichnet hatte. Als sie die Casetta in Trümmern vorfanden, sahen sie sich veranlasst, den Entwurf der Inschrift zu überarbeiten und die Tafel am nahegelegenen Haus von Giuseppe anzubringen, mit dem folgenden, von Prof. Fabre selbst diktierten Wortlaut:
Am 11. August, wenige Tage vor Don Boscos Geburtstag, gingen die Alten Schüler nach Becchi, um die Tafel zu enthüllen. Felice Reviglio, Pfarrer von St. Augustinus, einer der ersten Schüler Don Boscos, hielt die Festrede zu diesem Anlass. Über die Casetta sagte er: „Das Haus, in dem er geboren wurde und das fast völlig ruiniert ist“, ist „ein wahres Monument der evangelischen Armut Don Boscos“.
Die „völlige Ruine“ der Casetta war bereits im März 1887 im Salesianischen Bulletin erwähnt worden (BS 1887, März, S. 31), und Don Reviglio und die Inschrift auf der Tafel („ein Haus, das jetzt abgerissen ist“) bezogen sich offensichtlich auf diese Situation. Die Inschrift verdeckte auf bedauerliche Weise die Tatsache, dass die Casetta, die noch nicht im Besitz der Salesianer war, nun unaufhaltsam verloren schien.
Don Rua gab jedoch nicht auf und bot 1901 an, sie auf Kosten der Salesianer zu restaurieren, in der Hoffnung, sie später von den Erben von Antonio und Giuseppe Bosco zu erhalten, was 1919 bzw. 1926 auch geschah.
Nach Abschluss der Arbeiten wurde an dem „Häuschen“ eine Gedenktafel mit folgender Inschrift angebracht: IN DIESEM BESCHEIDENEN HÄUSCHEN, DAS JETZT FROMM RESTAURIERT WURDE, WURDE DON JOHANNES BOSCO AM 16. AUGUST 1815 GEBOREN.
Dann wurde auch die Inschrift am Haus von Giuseppe wie folgt korrigiert: „Hier geboren in einem jetzt restaurierten Haus… usw.“, und die Tafel wurde ersetzt.
Als dann 1915 der hundertste Jahrestag der Geburt Don Boscos gefeiert wurde, veröffentlichte das Bulletin das Foto des Häuschens mit dem Hinweis: „Es ist das Haus, in dem der Ehrwürdige Johannes Bosco am 16. August 1815 geboren wurde. Es wurde 1901 durch eine Generalreparatur vor dem Verfall gerettet, zu dem es die Unerbittlichkeit der Zeit verurteilt hatte“.
In den 70er Jahren haben die von Commendatore Secondo Caselle durchgeführten Archivrecherchen die Salesianer davon überzeugt, dass Don Bosco tatsächlich von 1817 bis 1831 in der von seinem Vater gekauften Casetta, also seinem Zuhause, gelebt hatte, wie er immer gesagt hatte, dass er aber auf dem Gehöft von Biglione geboren wurde, wo sein Vater Bauer war und mit seiner Familie bis zu seinem Tod am 11. Mai 1817 lebte, und zwar auf dem Gipfel des Hügels, auf dem heute der Tempel des Heiligen Johannes Bosco steht.
Die Gedenktafel an Giuseppes Haus wurde ausgetauscht, während die an der Casetta durch die aktuelle Marmorinschrift ersetzt wurde: DAS IST MEIN ZUHAUSE DON BOSCO.
Damit ist die kürzlich geäußerte Meinung entkräftet, dass die Alten Schüler im Jahr 1889 mit den Worten: „Hier geboren in einem jetzt abgerissenen Haus“, nicht das Häuschen von Becchi meinten.
Die Ortsnamen von Becchi
Hat die Familie Bosco auf dem Gehöft von Biglione gelebt, als Giovanni geboren wurde?
Einige haben gesagt, dass man das bezweifeln darf, weil sie mit ziemlicher Sicherheit in einem anderen Haus in „Meinito“ lebten, das Biglione gehörte. Ein Beweis dafür wäre das Testament von Francesco Bosco, das vom Notar C. G. Montalenti am 8. Mai 1817 aufgesetzt wurde, in dem es heißt: „… in dem vom untenerwähnten Erblasser bewohnten Haus von Herrn Biglione in der Region Monastero im Weiler Meinito…“(S. CASELLE, Cascinali e Contadini del Monferrato: i Bosco di Chieri nel secolo XVIII, Rom, LAS, 1975, S. 94).
Was kann man zu dieser Meinung sagen?
Heute ist „Meinito“ (oder „Mainito“) nur mehr der Ort eines Gehöfts südlich des Hügels Don Bosco, jenseits der Provinzstraße, die von Castelnuovo nach Capriglio führt, aber früher bezeichnete es ein größeres Gebiet, das an das Gebiet namens Sbaraneo (oder Sbaruau) angrenzte. Und Sbaraneo war nichts anderes als das Tal im Osten des Hügels.
„Monastero“ (Kloster) entsprach also nicht nur dem heutigen Waldgebiet in der Nähe von Mainito, sondern erstreckte sich über ein weites Gebiet von Mainito bis Barosca, so dass dieselbe „Casetta“ von Becchi im Jahr 1817 als „Region Cavallo, Monastero“ verzeichnet wurde (S. CASELLE, a. a. O., S. 96).
Als es noch keine Karten mit nummerierten Parzellen gab, wurden die Gehöfte und Ländereien anhand von Toponymen oder Ortsnamen identifiziert, die von den Nachnamen alter Familien oder geografischen und historischen Merkmalen abgeleitet waren.
Sie dienten als Orientierungspunkte, entsprachen aber nur sehr grob der heutigen Bedeutung von „Region“ oder „Weiler“ und wurden von den Notaren mit großer Entscheidungsfreiheit verwendet.
Die älteste Karte vom Castelnovese, die im Gemeindearchiv aufbewahrt und uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde, stammt aus dem Jahr 1742 und wird als „Napoleonische Karte“ bezeichnet, wahrscheinlich wegen ihrer verstärkten Verwendung während der französischen Besetzung. Ein Auszug aus dieser Karte, der 1978 von den Eheleuten Polato und Occhiena, die die Archivdokumente mit den auf der napoleonischen Karte nummerierten Parzellen verglichen haben, mit einer fotografischen Bearbeitung des Originaltextes herausgegeben wurde, gibt Aufschluss über alle Grundstücke, die seit 1773 im Besitz der Familie Biglione waren und von 1793 bis 1817 von der Familie Bosco bewirtschaftet wurden. Aus diesem „Auszug“ geht hervor, dass die Familie Biglione keine Grundstücke oder Häuser in Mainito besaß. Andererseits kann bisher kein anderes Dokument gefunden werden, das das Gegenteil beweist.
Welche Bedeutung können also die Worte „im Haus von Herrn Biglione… in der Region Monastero im Weiler Meinito“ haben?
Zunächst einmal ist es gut zu wissen, dass nur neun Tage später derselbe Notar, der das Testament von Francesco Bosco aufgesetzt hat, in das Inventar seines Erbes schrieb: „… im Haus von Herrn Giacinto Biglione, das von den untenerwähnten Schülern [Francescos Söhnen] in der Gegend Meinito bewohnt wird…“. (S. CASELLE, a. a. O., S. 96), womit Mainito innerhalb weniger Tage von „Weiler“ zu „Region“ aufstieg. Und dann ist es merkwürdig, dass sogar das Gehöft Biglione selbst in verschiedenen Dokumenten in Sbaconatto, in Sbaraneo oder Monastero, in Castellero und so weiter und so fort erscheint.
Wie sollen wir also damit umgehen? Wenn man alles in Betracht zieht, ist es nicht schwer zu erkennen, dass es sich immer um dasselbe Gebiet handelt, das Monastero, das im Zentrum Sbaconatto und Castellerò, im Osten Sbaraneo und im Süden Mainito umfasste. Der Notar Montalenti wählte „Meinito“, während andere „Sbaraneo“ oder „Sbaconatto“ oder „Castellero“ wählten. Aber das Grundstück und das Haus waren immer dasselbe!
Wir wissen außerdem, dass die Eheleute Damevino, die von 1845 bis 1929 Eigentümer des Gehöftes Biglione waren, auch andere Gehöfte besaßen, nämlich in Scajota und Barosca; aber, wie uns die Ältesten des Ortes versichern, besaßen sie nie Häuser in Mainito. Dennoch hatten sie die Grundstücke gekauft, die die Familie Biglione 1818 an Giuseppe Chiardi verkauft hatte.
Es bleibt nur die Schlussfolgerung, dass sich das vom Notar Montalenti am 8. Mai 1817 ausgestellte Dokument, auch wenn es keine Fehler enthält, auf das eigentliche Gehöft Biglione bezieht, wo Don Bosco am 16. August 1815 geboren wurde, sein Vater am 11. Mai 1817 starb und in unseren Tagen der grandiose Tempel des Heiligen Johannes Bosco errichtet wurde.
Für die Existenz eines fiktiven Hauses der Familie Biglione, das von der Familie Bosco in Mainito bewohnt und dann vor 1889 abgerissen wurde, wie einige spekuliert haben, wobei es nicht bekannt ist, wann oder von wem oder warum es abgerissen wurde, gibt es (zumindest bis jetzt) keine wirklichen Beweise. Die Alten Schüler selbst, als sie auf der Becchi-Gedenktafel die Worte „Hier geboren in…“ anbrachten (siehe unseren Artikel vom Januar), konnten sie sich sicherlich nicht auf Mainito beziehen, das über einen Kilometer von Giuseppes Haus entfernt ist!
Gehöfte, Landwirte und Halbpächter
Francesco Bosco, Landwirt des Gehöftes Biglione, wollte sich selbständig machen und kaufte Land und das Becchi-Häuschen, doch am 11. Mai 1817 starb er plötzlich, bevor er alle seine Schulden bezahlen konnte. Im November zog seine Witwe Margareta Occhiena mit ihren Kindern und ihrer Schwiegermutter in die „Casetta“ ein, die zu diesem Zweck renoviert worden war. Bis dahin bestand diese Casetta, die ihr Mann bereits seit 1815 unter Vertrag genommen, aber noch nicht bezahlt hatte, nur aus „einer Höhle und einem angrenzenden Stall, mit Ziegeln gedeckt, in schlechtem Zustand“ (S. CASELLE, Cascinali e contadini […], S. 96-97) und somit unbewohnbar für eine fünfköpfige Familie mit Tieren und Werkzeug. Im Februar 1817 war der notarielle Kaufvertrag aufgesetzt, aber die Schulden waren noch nicht beglichen. Margareta musste die Situation als Vormund von Antonio, Giuseppe und Johannes Bosco, den damaligen Kleingrundbesitzern in Becchi, regeln.
Es war nicht das erste Mal, dass die Familie Bosco vom Status des Landwirtes zu dem des Kleingrundbesitzers wechselte und umgekehrt. Der verstorbene Commendatore Secondo Caselle hat uns dafür zahlreiche Belege geliefert.
Der Ururgroßvater von Don Bosco, Giovanni Pietro, der früher Landwirt auf dem Gehöft Croce di Pane zwischen Chieri und Andezeno war, das den Barnabiten gehörte, wurde 1724 Landwirt auf dem Gehöft San Silvestro bei Chieri, das der Propstei San Giorgio gehörte. Dass er mit seiner Familie auf dem Gehöft San Silvestro lebte, ist in den „Salzregistern“ von 1724 zu entnehmen. Sein Neffe Filippo Antonio, der vaterlos war und von Giovanni Pietros ältestem Sohn, Giovanni Francesco Bosco, aufgenommen wurde, wurde von einem Großonkel adoptiert, von dem er ein Haus, einen Garten und 2 Hektar Land in Castelnuovo erbte. Aufgrund der kritischen wirtschaftlichen Lage, in der er sich befand, musste er jedoch das Haus und den größten Teil seiner Ländereien verkaufen und zog mit seiner Familie in den Ortsteil Morialdo, als Landwirt auf dem Gehöft Biglione, wo er 1802 starb.
Paolo, sein erstgeborener Sohn, wurde somit das Familienoberhaupt und der Landwirt, wie in der Volkszählung von 1804 festgehalten. Aber einige Jahre später überließ er das Gehöft seinem Halbbruder Francesco und ließ sich in Castelnuovo nieder, nachdem er seinen Anteil am Erbe genommen und ge- und verkauft hatte. Zu diesem Zeitpunkt wurde Francesco Bosco, der Sohn von Filippo Antonio und Margherita Zucca, Landwirtauf dem Gehöft Biglione.
Was verstand man dort unter „Cascina“ (Gehöft), „Massaro“ (Landwirt) und „Mezzadro“ (Halbpächter)?
Das Wort „Cascina“ (auf Piemontesisch: cassin-a) bezeichnet an sich ein Bauernhaus oder einen ganzen Bauernhof; aber in den Orten, von denen wir sprechen, lag die Betonung auf dem Haus, d. h. dem landwirtschaftlichen Gebäude, das zum Teil als Wohnung und zum Teil als rustikaler Stall für das Vieh usw. genutzt wurde. Der „Massaro“ (auf Piemontesisch: massé) ist an sich der Pächter des Gehöfts und der Höfe, während der „Mezzadro“ (auf Piemontesisch: masoé) nur der Bewirtschafter des Landes seines Herrn ist, mit dem er sich die Ernte teilt. In der Praxis war der „Massaro“ in jenen Orten aber auch ein Halbpächter und umgekehrt, so dass das Wort massé nicht viel verwendet wurde, während masoé im Allgemeinen auch den „Massaro“ bezeichnete.
Die Eheleute Damevino, die von 1845 bis 1929 Eigentümer des Gehöftes „Bion“ oder Biglione al Castellero waren, besaßen auch andere Gehöfte in Scajota und Barosca, und wie uns Herr Angelo Agagliate versicherte, hatten sie fünf Landwirte oder Halbpächter, einen in Cascina Biglione, zwei in Scajota und zwei in Barosca. Natürlich lebten die verschiedenen Landwirte in ihrem eigenen Gehöft.
Wenn nun ein Bauer ein „Massaro“ war, z.B. in Cascina Scajota, das der Familie Damevino gehörte, so hieß er nicht „im Hause Damevino wohnend“, sondern einfach „alla Scajota“. Hätte Francesco Bosco in dem vermeintlichen Haus der Biglione in Mainito gewohnt, hätte er also nicht „im Haus von Herrn Biglione“ gewohnt, selbst wenn dieses Haus der Familie Biglione gehört hätte. Wenn der Notar schrieb: „In dem vom untenerwähnten Erblasser bewohnten Haus von Herrn Biglione“, so war dies ein Zeichen dafür, dass Francesco mit seiner Familie in Cascina Biglione selbst lebte.
Dies ist eine weitere Bestätigung der vorangegangenen Artikel, die die Hypothese der Geburt Don Boscos in Mainito „in einem jetzt abgerissenen Haus“ widerlegen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man sich nicht ausschließlich auf die wörtliche Bedeutung bestimmter Ausdrücke verlassen darf, sondern ihre wahre Bedeutung im lokalen Sprachgebrauch der jeweiligen Zeit untersuchen muss. Bei derartigen Studien ist die Arbeit des Lokalforschers eine Ergänzung zu der des akademischen Historikers und besonders wichtig, da ersterer, gestützt auf eine detaillierte Kenntnis des Gebietes, letzterem das für seine allgemeinen Schlussfolgerungen erforderliche Material liefern und Fehlinterpretationen vermeiden kann.

