Lesezeit: 4 min.
Jedes unveröffentlichte Dokument enthält in der Regel etwas Neues. Die Dokumente, die wir hier vorstellen, bieten uns nicht nur unbekannte Informationen, sondern auch eine willkommene Überraschung, zumal sie die Grenzen des Jahrhunderts überschreiten, um uns zu erreichen.
Don Bosco in Frankreich
Don Boscos Name als Erzieher und Gründer von Werken für arme Jugendliche war in Frankreich schon früh bekannt und geschätzt. Nur die Alpen trennten Turin von Frankreich. Von der ligurischen Riviera aus war die französische Riviera mit den berühmten Badeorten Monaco, Saint-Tropez, Hyères, Toulon, Cannes und der Hauptstadt der Region, Nizza, die 1860 an Frankreich fiel, leicht zu erreichen. Französische Zeitungen, französische Pilgerreisen nach Rom mit einem Zwischenstopp in Valdocco und sogar eine erbauliche Biographie (1881) trugen ihren Teil dazu bei. Vor allem aber machte Don Boscos Reise durch Frankreich (14. Februar bis 19. Mai 1883), vom Süden in den Norden, mit einem langen Aufenthalt in Paris, ihn sowohl beim Volk als auch für bei einer gewissen bürgerlichen Aristokratie zu einem neuen Heiligen Vinzenz von Paul, einem neuen Pfarrer von Ars, einem neuen Heiligen Franz von Sales. Don Bosco besuchte in der Tat vor allem den Süden Frankreichs, wo er verschiedene Werke in Nizza, in Saint-Cyr, in Navarra, in Marseille gründete. Im Süden, genauer gesagt in Toulon, lernte er die Familie Colle kennen und schloss mit ihr eine enge Freundschaft und geistige Verbindung – die großzügigste aller Adelsfamilien, die ihn finanziell unterstützten, darunter die bekannten Fassati, Callori, De Maistre, Uguccioni usw.
Die Bitte von Frau Chambon
In Toulon lebte die Familie Chambon, die nach sieben Jahren Ehe noch immer kein Kind bekommen hatte. Frau Agostina, die Don Bosco als Mann Gottes, wenn nicht gar als Thaumaturg kannte, zögerte nicht, ihm zu schreiben und ihn zu bitten, für sie zu beten, damit sie das ersehnte Mutterglück erhalte.
Don Bosco antwortete ihr sofort Mitte August 1885 aus Mathi, wo er sich aufhielt, um der Hitze Turins für eine Weile zu entfliehen. In seinem rauen Französisch schrieb er ihr: „Ihr verlangt etwas Ernsthaftes, Außergewöhnliches, aber nicht Unmögliches. Ich werde es nicht versäumen zu beten und alle unsere Kinder in Ihrem Sinne beten zu lassen. Aber Sie werden Ihrerseits zwei Dinge tun:
1. Sie werden nicht aufhören, um Gnade zu bitten, vorausgesetzt, es steht nicht im Widerspruch zu Ihrem ewigen Glück.
2. Sie werden ein Jahr lang jeden Tag drei Vaterunser zum Allerheiligsten beten und während dieses Jahres alle Werke der Nächstenliebe für die Waisenkinder tun, die Sie tun können“.
An sich verlangte Don Bosco nichts Neues. Es waren die üblichen Empfehlungen an diejenigen, die ihn baten, für ihr besonderes Anliegen zu beten. Auch der Schluss des Briefes war derselbe: „Möge der liebe Gott mit Ihnen sein und die Heilige Jungfrau Sie und Ihre Familie immer beschützen, und bitte beten Sie auch für mich und meine ganze Familie“. Die Verpflichtung beruhte also auf Gegenseitigkeit: Jeder sollte seinen Teil beitragen, sowohl im Gebet als auch in der Nächstenliebe gegenüber den Bedürftigen. Und Don Bosco verwies auf die riesige Zahl seiner 160.000 „Waisenkinder“.
Es ist nicht bekannt, ob und wie die Dame die Anweisungen Don Boscos annahm, aber Tatsache ist, dass sie am 24. März 1887 glücklich den kleinen Joseph zur Welt brachte.
Die Geschichte ist noch nicht zu Ende
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Joseph, der in der französischen Armee zum Hauptmann befördert worden war, an die Front geschickt und seine Mutter, die sich große Sorgen machte, versprach am 18. September 1915, ohne eine bestimmte Zeit oder ein Datum festzulegen, ein Exvoto zum Grab Don Boscos zu bringen, dem sie offensichtlich schon für das Geschenk der Mutterschaft dankbar war.
Ihr Sohn Joseph kehrte tatsächlich unversehrt aus dem Krieg zurück, aber aus uns unbekannten Gründen konnte die Dame ihr Versprechen nicht einhalten. Sie musste es aber ihrem Sohn erzählt haben, der, inzwischen verheiratet und Generalintendant der Reservisten, seine Tochter Jeanne auf der Durchreise nach Turin bat, das Versprechen ihrer Großmutter selbst einzulösen und so ein Exvoto zum Grab des Heiligen zu bringen. Dies war ihr jedoch nicht möglich, da in Valdocco keine Exvotos mehr angenommen wurden. Wahrscheinlich waren es zu viele.
Als der Vater davon erfuhr, gab er nicht auf und schrieb dem Direktor von Valdocco. Er erzählte ihm die kleine Geschichte, die wir rekonstruiert haben, und legte als Beweis eine Fotokopie des Briefes von Don Bosco und das Manuskript seiner Mutter bei. Anstelle des Exvoto schickte er eine großzügige Spende (400 Francs), nicht ohne hinzuzufügen, dass nicht nur seine Mutter eine gläubige Verehrerin Boscos und der salesianischen Werke gewesen sei, sondern dass die ganze Familie eine lebendige und dankbare Erinnerung an ihn bewahre. Er bedankte sich auch bei den Salesianern von Valdocco für das besonders wertvolle Geschenk, das sie seiner Tochter gemacht hatten: Eine Reliquie Don Boscos mit „Causae-Postulator“-Zertifikat. Der Kriegsveteran und Mann mit militärischer Karriere hatte nie vergessen, dass er dank des Glaubens und der Nächstenliebe seiner Mutter und Don Boscos ein Geschenk Gottes war. Das Gebet Don Boscos (und das Gebet so vieler zukünftiger Mütter wie damals das der Frau Agostina) wurde zu seiner Zeit und auch nach ihm auf die Fürsprache eines seiner heiligen Schüler vom Herrn immer wieder erhört. Das Gebetsbildchen des Hl. Dominikus Savio, das in Verbindung mit dem Gebet und dem christlichen Leben getragen wird, hat vielen Familien ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, vielen Müttern die Tränen getrocknet und viele Kinderbetten mit Freude erfüllt und tut dies noch immer.

