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Das Drama der verlassenen Jugendlichen hallt weiterhin in der modernen Welt wider. Statistiken sprechen von etwa 150 Millionen Jugendlichen, die gezwungen sind, auf der Straße zu leben – eine Realität, die sich auf dramatische Weise auch in Monrovia, der Hauptstadt Liberias, zeigt. Anlässlich des Festes des Heiligen Johannes Bosco fand in Wien eine Sensibilisierungskampagne statt, die von Jugend Eine Welt initiiert wurde. Diese Initiative beleuchtete nicht nur die Situation vor Ort, sondern auch die Schwierigkeiten, die in fernen Ländern wie Liberia auftreten, wo der Salesianer Lothar Wagner sein Leben der Aufgabe widmet, diesen Jugendlichen Hoffnung zu geben.
Lothar Wagner: ein Salesianer, der sein Leben den Straßenkindern in Liberia widmet
Lothar Wagner, ein deutscher Salesianer-Koadjutor, hat über zwanzig Jahre seines Lebens der Unterstützung von Jugendlichen in Westafrika gewidmet. Nach bedeutenden Erfahrungen in Ghana und Sierra Leone hat er sich in den letzten vier Jahren mit Leidenschaft auf Liberia konzentriert, ein Land, das von langwierigen Konflikten, Gesundheitskrisen und Verwüstungen wie der Ebola-Epidemie gezeichnet ist. Lothar hat sich zum Sprachrohr einer oft ignorierten Realität gemacht, in der soziale und wirtschaftliche Narben die Wachstumschancen für junge Menschen beeinträchtigen.
Liberia, mit einer Bevölkerung von 5,4 Millionen Einwohnern, ist ein Land, in dem extreme Armut mit fragilen Institutionen und weit verbreiteter Korruption einhergeht. Die Folgen jahrzehntelanger bewaffneter Konflikte und Gesundheitskrisen haben das Bildungssystem zu einem der schlechtesten der Welt gemacht, während das soziale Gefüge unter der Last wirtschaftlicher Schwierigkeiten und dem Mangel an grundlegenden Dienstleistungen gelitten hat. Viele Familien sind nicht in der Lage, ihren Kindern die Grundbedürfnisse zu sichern, was dazu führt, dass eine große Anzahl junger Menschen auf der Straße Zuflucht sucht.
Insbesondere in Monrovia finden einige Jugendliche Zuflucht an den unerwartetsten Orten: den Friedhöfen der Stadt. Diese Jugendlichen, die als „Friedhofskinder“ bekannt sind und keine sichere Unterkunft haben, suchen zwischen den Gräbern Zuflucht, einem Ort, der zum Symbol der völligen Verlassenheit geworden ist. Im Freien, in Parks, auf Mülldeponien, sogar in der Kanalisation oder in Gräbern zu schlafen, ist für diejenigen, die keine andere Wahl haben, zum tragischen täglichen Zufluchtsort geworden.
„Es ist wirklich sehr berührend, wenn man über den Friedhof geht und Kinder sieht, die aus den Gräbern kommen. Sie liegen bei den Toten, weil sie keinen Platz mehr in der Gesellschaft haben. Eine solche Situation ist skandalös.“
Ein mehrgleisiger Ansatz: vom Friedhof zu den Haftzellen
Nicht nur die Friedhofskinder stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Lothar. Der Salesianer widmet sich auch einer anderen dramatischen Realität: der der minderjährigen Gefangenen in liberianischen Gefängnissen. Das Gefängnis von Monrovia, das für 325 Häftlinge gebaut wurde, beherbergt heute über 1.500 Gefangene, darunter viele junge Menschen, die ohne formelle Anklage inhaftiert sind. Die extrem überfüllten Zellen sind ein deutliches Beispiel dafür, wie die Menschenwürde oft geopfert wird.
„Es mangelt an Essen, sauberem Wasser, Hygienestandards, medizinischer und psychologischer Betreuung. Der ständige Hunger und die dramatische Raumsituation aufgrund der Überfüllung schwächen die Gesundheit der Kinder enorm. In einer kleinen Zelle, die für zwei Häftlinge ausgelegt ist, sind acht bis zehn Jugendliche eingesperrt. Man schläft abwechselnd, weil diese Zellengröße ihren zahlreichen Bewohnern nur Stehplätze bietet“.
Um dieser Situation entgegenzuwirken, organisiert er tägliche Besuche im Gefängnis und bringt Trinkwasser, warme Mahlzeiten und psychosoziale Unterstützung, die zu einem Rettungsanker wird. Seine ständige Anwesenheit ist von grundlegender Bedeutung, um zu versuchen, einen Dialog mit den Behörden und Familien wiederherzustellen und das Bewusstsein für die Bedeutung des Schutzes der Rechte von Minderjährigen zu schärfen, die oft vergessen und einem unglücklichen Schicksal überlassen werden. „Wir lassen sie in ihrer Einsamkeit nicht allein, sondern versuchen, ihnen Hoffnung zu geben“, betont Lothar mit der Entschlossenheit dessen, der den täglichen Schmerz dieser jungen Leben kennt.
Ein Sensibilisierungstag in Wien
Die Unterstützung dieser Initiativen erfolgt auch durch internationale Aufmerksamkeit. Am 31. Januar veranstaltete Jugend Eine Welt in Wien einen Tag, der der Hervorhebung der prekären Situation von Straßenkindern gewidmet war, nicht nur in Liberia, sondern weltweit. Während der Veranstaltung teilte Lothar Wagner seine Erfahrungen mit Schülern und Teilnehmern und beteiligte sie an praktischen Aktivitäten – wie der Verwendung eines Absperrbands, um die Bedingungen einer überfüllten Zelle zu simulieren –, um die Schwierigkeiten und die Angst junger Menschen, die täglich auf engstem Raum und unter entwürdigenden Bedingungen leben, aus erster Hand zu verstehen.
Neben den täglichen Notfällen konzentriert sich die Arbeit von Lothar und seinen Mitarbeitern auch auf langfristige Maßnahmen. Die Salesianer-Missionare engagieren sich in Rehabilitationsprogrammen, die von Bildungsförderung über Berufsausbildung für junge Gefangene bis hin zu Rechtsbeistand und Seelsorge reichen. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Jugendlichen nach ihrer Entlassung wieder in die Gesellschaft zu integrieren und ihnen zu helfen, eine würdevolle und chancenreiche Zukunft aufzubauen. Das Ziel ist klar: nicht nur unmittelbare Hilfe zu leisten, sondern einen Weg zu schaffen, der es jungen Menschen ermöglicht, ihr Potenzial zu entfalten und aktiv zur Wiedergeburt des Landes beizutragen.
Die Initiativen erstrecken sich auch auf den Bau von Berufsbildungszentren, Schulen und Aufnahmeeinrichtungen in der Hoffnung, die Zahl der jungen Begünstigten zu erhöhen und eine kontinuierliche Unterstützung Tag und Nacht zu gewährleisten. Der Erfolgsbericht vieler ehemaliger „Friedhofskinder“ – von denen einige Lehrer, Ärzte, Anwälte und Unternehmer geworden sind – ist die konkrete Bestätigung dafür, dass mit der richtigen Unterstützung eine Veränderung möglich ist.
Trotz des Engagements und der Hingabe ist der Weg mit Hindernissen gepflastert: Bürokratie, Korruption, das Misstrauen der Jugendlichen und der Mangel an Ressourcen stellen tägliche Herausforderungen dar. Viele junge Menschen, die von Missbrauch und Ausbeutung gezeichnet sind, haben Schwierigkeiten, Erwachsenen zu vertrauen, was die Aufgabe, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und eine echte und dauerhafte Unterstützung anzubieten, noch erschwert. Jeder kleine Erfolg – jeder junge Mensch, der wieder Hoffnung findet und anfängt, eine Zukunft aufzubauen – bestätigt jedoch die Bedeutung dieser humanitären Arbeit.
Der von Lothar und seinen Mitarbeitern eingeschlagene Weg zeigt, dass es trotz der Schwierigkeiten möglich ist, das Leben verlassener Kinder zu verändern. Die Vision eines Liberias, in dem jeder junge Mensch sein Potenzial verwirklichen kann, wird in konkrete Maßnahmen umgesetzt, von der internationalen Sensibilisierung über die Rehabilitation von Gefangenen bis hin zu Bildungsprogrammen und Aufnahmeprojekten. Die Arbeit, die auf Liebe, Solidarität und ständiger Präsenz basiert, ist ein Hoffnungsschimmer in einem Kontext, in dem die Verzweiflung zu überwiegen scheint.
In einer Welt, die von Verlassenheit und Armut geprägt ist, sind die Geschichten der Wiedergeburt von Straßenkindern und jungen Gefangenen eine Einladung zu glauben, dass jedes Leben mit der richtigen Unterstützung wieder auferstehen kann. Lothar Wagner kämpft weiterhin dafür, diesen jungen Menschen nicht nur einen Unterschlupf, sondern auch die Möglichkeit einzuräumen, ihr Schicksal neu zu schreiben, und beweist damit, dass Solidarität die Welt wirklich verändern kann.

