Und der Stern blieb auf einem Rollstuhl stehen

Begegnungen am Dreikönigstag mit wunderbaren Menschen mit einem guten Herzen und einem strahlenden Glauben

Liebe Freunde des Salesianischen Bulletins, ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen alles Gute für das neue Jahr 2024, das wir gerade begonnen haben. Ich hoffe aufrichtig, dass es ein Jahr voller Gottes Gegenwart in unserem Leben und reich an Segnungen sein wird.
Ich habe die Angewohnheit, wann immer es möglich ist, diesen Gruß zu schreiben, indem ich etwas erzähle, das ich erlebt habe und das mich aus dem einen oder anderen Grund berührt hat. Nun, am Dreikönigstag des Herrn war ich in meiner Heimatstadt Luanco-Asturias. In diesem herrlichen Fleckchen Erde war ich auf angenehme Weise in Kontakt mit meinen Wurzeln, dem Meer und der Natur, in der ich geboren wurde und aufwuchs, sowie mit meinen Landsleuten.  An diesem Tag ging ich zur Eucharistiefeier. Der Pfarrer des Dorfes hatte mir freundlicherweise dieses Privileg gewährt, während er in eine andere der ihm anvertrauten Pfarreien ging. So konnten wir diese Feierlichkeit in mehreren christlichen Gemeinden begehen.
Nun, ich möchte Ihnen sagen, dass es ein Morgen war, an dem der Herr mir einige unerwartete Begegnungen bereitet hat, bei denen mein Herz, als ich von der Situation einiger Menschen erfuhr, von der Gewissheit erfüllt wurde, wie der Herr tröstet und ermutigt, selbst wenn sich Schmerz, Krankheit oder Einschränkung in das Leben einiger Menschen eingeschlichen haben.
Ich begann meinen Tag, bevor ich die Eucharistie feierte, mit einem Besuch bei einem älteren Menschen, der viele Jahre lang Arzt in meinem Dorf war. Er war ein großartiger Hausarzt und ein gläubiger Mensch. Unter anderem hatte er in Salamanca bei den Salesianern studiert. Jahrelang war er einer der Menschen, von denen mir meine Eltern erzählten, wenn sie zum Arzt gingen.
Nun, bei diesem Familienbesuch, den ich auf Einladung seiner Tochter machte, begegnete ich einem gläubigen Mann, der mir sagte, dass er als Arzt nur einen Teil von dem geben könne, was er von Gott empfangen habe, und dass er jetzt, da er schwer krank sei, den lieben Gott nur darum bitte, ihn auf die Begegnung mit ihm vorzubereiten. Seine Überzeugung und sein Friede waren so groß, dass ich zur Eucharistiefeier ging, nachdem ich bereits meine Dosis des „guten Wortes in meinem Ohr“ erhalten hatte.

In Gottes Händen
Und bei der Eucharistiefeier traf ich, wie schon bei anderen Gelegenheiten, einen jungen Mann in den Dreißigern, der aufgrund eines Unfalls seit Jahren im Rollstuhl sitzt. Ebenfalls im Rollstuhl fuhr er mit seiner Mutter nach Indien, um Kontakt zu den Ärmsten der Armen aufzunehmen. Und mein junger Freund beeindruckt mich durch die Gelassenheit, das Lächeln und die Freude, mit der er in seinem Herzen lebt; die gleiche Freude, mit der er an der täglichen Eucharistie teilnimmt und mit der er den Herrn empfängt. Und dieser junge Freund hätte sicher alles, um sich über „sein Unglück“ zu beklagen, oder noch schlimmer: er könnte Gott die Schuld geben, wie wir es zu tun pflegen, wenn uns etwas zu schaffen macht. Aber nein, er lebt einfach, ohne sich selbst zu bemitleiden, und ist dankbar für das Geschenk des Lebens, auch wenn er im Rollstuhl sitzt. Am Ende der Feierlichkeiten, wenn ich ihn sehe, grüßen wir uns immer, und seine Worte sind immer Worte des Dankes, aber eigentlich sollte ich ihm für das großartige Zeugnis des Lebens und des Glaubens an den Herrn des Lebens danken, das er uns allen gibt.
So schön und stimmungsvoll war es an meinem Dreikönigstag, als mich beim Verlassen der Kirche ein Ehepaar mittleren Alters begrüßte und mir alles Gute für das neue Jahr wünschte. Auch sie hatten fröhliche Gesichter; ich sah mehr Freude und Gelassenheit in dem an Krebs erkrankten Ehemann als in seiner geliebten Frau, die für ihn litt. Aber beide sprachen zu mir von ihrer Gewissheit, dass sie diese Zeit und diese Krankheit im Vertrauen und in der Hingabe an Gott durchstehen müssen.

Der Glaube der Mutter
Unter all den Begrüßungen habe ich schließlich eine letzte verpasst. Eine ältere Mutter, die sich vorstellte, erinnerte mich daran, dass sie vor einigen Jahren eines ihrer Kinder verloren hatte, das an einer Krankheit gestorben war, und dass sie derzeit an Krebs erkrankt war. Sie bat mich, sie vor den Herrn zu bringen. Ich fragte sie, wie es ihr ginge, und sie erzählte mir, dass sie leide, aber durch den Glauben sehr getröstet sei. Ich versichere Ihnen, dass mir die Worte fehlten, denn die Emotionen, die ich während des Vormittags empfand, und die Lebenszeugnisse, die auf mich zukamen und mich überwältigten, waren so intensiv.
Und ich konnte nicht umhin, jedem von ihnen mein Gebet zu versprechen, und das habe ich auch getan, und gleichzeitig wurde mir wieder einmal und noch stärker bewusst, wie der Herr weiterhin große Dinge in den Demütigen tut, in den Menschen, die von den Situationen des Lebens am meisten betroffen sind, in denjenigen, die spüren, dass nur er wirklich Trost und Hilfe ist.
Und all dies scheint mir so wichtig zu sein, dass ich es nicht für mich behalten kann. Es scheint sogar, dass man darüber nicht schreiben sollte, vielleicht, weil es nicht in Mode ist, vielleicht, weil man heute über andere Dinge spricht, aber ich rebelliere gegen alles, was mich daran hindert, das zu teilen und zu bezeugen, was wichtig, tiefgründig und hoffnungsvoll in unserem Leben ist.
Und ich weiß nicht warum, aber ich habe eine Intuition, dass viele Leser mit dem, was ich Ihnen erzähle, und mit dem, was ich selbst erlebt habe, übereinstimmen werden, denn das, was ich Ihnen erzähle, was sich an einem Dreikönigsmorgen in einer kleinen Stadt am Meer ereignet hat, geschieht nicht nur dort. Mit anderen Worten, es ist Teil unseres menschlichen Daseins, und darin ist der Herr immer an unserer Seite, wenn wir ihn zulassen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute, liebe Freunde. Und lassen Sie uns weiterhin daran glauben, dass wir in jedem Augenblick, auch in den schwierigsten, Grund zur Hoffnung haben.




Jahresleitgedanke 2024. „Ein Traum, der träumen lässt“

Der Berufungstraum Don Boscos und seine Botschaft heute

(Text im PDF-Format)

Während meines Dienstes als Generaloberer konnte ich feststellen, dass der Jahresleitgedanke eines der schönsten Geschenke ist, die Don Bosco und seine Nachfolger der Don-Bosco-Familie jedes Jahr überreichen. Er hilft, gemeinsam unterwegs zu sein, und erreicht auch die entferntesla strenna da QUIten Orte. Gleichzeitig lässt er den jeweiligen Realitäten die Freiheit, das Vorgeschlagene für den Weg der einzelnen Erziehungs- und Pastoralgemeinschaften aufzunehmen, zu ergänzen und zu erschließen.

Dieses Jahr 2024 feiern wir den 200. Jahrestag der „Traumvision, die der kleine Johannes [1824] mit neun oder zehn Jahren in dem kleinen Haus in Becchi hatte“[1]: des Traums mit neun Jahren.

Der 200. Jahrestag des Traums, der „die ganze Art und Weise Don Boscos zu leben und zu denken bestimmt hat und vor allem seine Art, die Gegenwart Gottes im Leben eines jeden und in der Geschichte der Welt zu fühlen“[2], hat es – so glaube ich – verdient, ins Zentrum des Jahresleitgedankens gestellt zu werden, der das Jahr der gesamten Don-Bosco-Familie erzieherisch-pastoral leitet. Er kann bei der evangelisierenden Sendung, den erzieherischen Aktivitäten und Maßnahmen zur sozialen Förderung aufgenommen und vertieft werden, die in allen Teilen der Welt von unserer Familie, für die Don Bosco Inspiration und Vater ist, durchgeführt werden.

„Zuvor aber möchte ich ‚den Traum des neunjährigen Johannes Bosco‘ in Erinnerung rufen. Mir scheint in der Tat, dass diese autobiographische Seite eine einfache, aber gleichzeitig prophetische Präsentation des Geistes und der Sendung Don Boscos bietet. In ihm wird das Tätigkeitsfeld bestimmt, das ihm anvertraut worden ist: die Jugendlichen. Es wird die Zielsetzung seiner apostolischen Aktion aufzeigt: sie mit Hilfe von Erziehung in ihrem Wachstum als Personen zu fördern. Es wird die Erziehungsmethode angeboten, die sich als wirksam erweisen sollte: das Präventivsystem. Es wird der Horizont vorgestellt, innerhalb dessen sich all sein und unser Handeln bewegt: der wunderbare Heilsplan Gottes, der vor allen und mehr als alles andere die Jugendlichen liebt“.[3] So schrieb der ehemalige Generalobere Don Pascual Chávez Villanueva am Schluss des Kommentars zum Jahresleitgedanken 2012, den er der Don-Bosco-Familie für das erste Jahr der dreijährigen Vorbereitung auf den 200. Geburtstag Don Boscos (2015) übergab.

Dieser Text fasst sehr gut das Wesen dessen zusammen, was der Traum mit neun Jahren in seiner Einfachheit und Prophetie, in seinem charismatischen und erzieherischen Wert darstellt. Es ist ein vielsagender Traum, den wir im Laufe dieses Jahres dem Herzen und dem Leben der ganzen Familie Don Boscos noch näherbringen wollen. Es ist ein Traum, eine „sehr berühmte Traumvision, die ein wichtiger Pfeiler, quasi ein Gründungsmythos in der Vorstellung der Don-Bosco-Familie wurde und immer noch ist“.[4] Gewiss muss dieser Traum mit kritischer Aufmerksamkeit in seinem Kontext betrachtet werden – was schon Don Bosco selbst tat und was unsere Experten der salesianischen Geschichte getan haben –, um eine aktuelle, lebendige und existentielle Lesart und Deutung zu bieten. Zweifelsohne ist es ein Traum, den Don Bosco sein ganzes Leben lang im Gedächtnis und im Herzen bewahrte, wie er selbst festgestellt hat: „In diesem Alter hatte ich einen Traum, der mir mein ganzes Leben lang tief in Erinnerung blieb“.[5] Es handelt sich also um einen Traum, der in ihm und auf dem ganzen Weg der salesianischen Kongregation bis heute gegenwärtig geblieben ist und der zweifelsohne unsere gesamte Don-Bosco-Familie erreicht.

Bei Don Rinaldi lesen wir anlässlich des hundertsten Jahrestages des Traums: „Sein Inhalt ist nämlich von solcher Bedeutung, dass wir es uns anlässlich dieses hundertsten Jahrestages unbedingt zur Aufgabe machen müssen, ihn in allen Einzelheiten durch eine eifrigere Betrachtung zu vertiefen und seine Lehren großherzig umzusetzen, wenn wir den Namen wahrer Söhne Don Boscos und vollkommener Salesianer verdienen wollen“.[6] Wir leben gerade intensiv das außergewöhnliche Ereignis dieser zweiten Hundertjahrfeier, die zweifelsohne in der ganzen salesianischen Welt zu vielen Veranstaltungen führen wird. Lasst uns dies alles in einem sehr festlichen, freudigen und auch tiefgründigen Moment bei der hoffungsvollen Revision unseres Lebens zum Ausdruck bringen, indem wir den jungen Menschen mutige Vorschläge machen, um sie dabei zu unterstützen, „groß“ zu träumen, in der Gewissheit der Gegenwart Jesu Christi und „Hand in Hand“ mit der Lehrmeisterin, unserer Mutter und Herrin.

1. „ICH HATTE EINEN TRAUM …“: EINEN GANZ BESONDEREN TRAUM

Vor zweihundert Jahren hatte Johannes Bosco einen Traum, der ihn sein ganzes Leben lang „prägte“; ein Traum, der in ihm eine unauslöschliche Spur hinterließ und dessen Bedeutung Don Bosco erst am Ende seines Lebens vollständig begriff. Hier folgt nun der von Don Bosco selbst erzählte Traum nach der kritischen Edition von Antonio da Silva Ferreira, der wir bis auf zwei kleine Varianten folgen.[7]

[Rahmenhandlung] In diesem Alter hatte ich einen Traum, der mir mein ganzes Leben lang tief in Erinnerung blieb.

[Vision der Jungen und Johannes‘ Eingreifen] Im Traum schien es mir, als sei ich in der Nähe unseres Hauses auf einem recht weiträumigen Platz, auf dem eine Menge Jungen beisammen waren, welche sich die Zeit vertrieben. Einige lachten, andere spielten, nicht wenige fluchten. Als ich das Fluchen hörte, stürzte ich mich sofort mitten unter sie, um sie mit Faustschlägen und Geschrei zum Schweigen zu bringen.

[Erscheinung des ehrfurchtgebietenden Mannes] In diesem Moment erschien ein ehrfurchtgebietender Mann im besten Alter und vornehm gekleidet. Ein weißer Mantel bedeckte seine ganze Gestalt; aber sein Gesicht war derart leuchtend, daß ich ihn nicht schauen konnte. Er rief mich beim Namen, trug mir auf, mich an die Spitze der Jungen zu stellen und sagte: „Nicht mit Schlägen, sondern mit Milde und Liebe sollst du sie zu Freunden gewinnen. Mach dich also gleich daran, sie über die Häßlichkeit der Sünde und über die Kostbarkeit der Tugend zu belehren.“ Verwirrt und verängstigt erwiderte ich, ich sei ein armes und unwissendes Kind, unfähig, zu diesen Jungen von Religion zu sprechen. In diesem Augenblick hörten diese auf zu lachen, zu schreien und zu fluchen, und alle versammelten sich um den Sprecher.

[Gespräch über die Identität der Person] Fast ohne zu wissen, was ich sagte, fügte ich hinzu „Wer seid Ihr, daß Ihr mir Unmögliches auftragt?“ „Weil dir derartige Dinge jetzt unmöglich scheinen, mußt du sie mit Gehorsam und mit dem Erwerb von Wissen möglich machen.“ „Wo, mit welchen Mitteln werde ich das Wissen erwerben können?“ „Ich werde dir die Lehrerin geben, unter deren Anleitung du klug werden kannst, und ohne die jedes Wissen töricht wird.“ „Aber wer seid Ihr, daß Ihr auf diese Weise sprecht?“ „Ich bin der Sohn derjenigen, die deine Mutter dich dreimal täglich zu grüßen gelehrt hat.“ „Meine Mutter sagt mir, ich soll nicht ohne ihre Erlaubnis mit Unbekannten zusammen sein; sagt mir deshalb Euren Namen.“ „Meinen Namen erfrage von Meiner Mutter.“

[Erscheinung der Frau von majestätischem Anblick] In dem Augenblick sah ich neben ihm eine Frau von majestätischer Erscheinung, in einen Mantel gekleidet, der überall leuchtete, als sei jeder Teil davon ein heller Stern. Sie merkte, daß ich in meinen Fragen und Antworten immer mehr durcheinanderkam und bedeutete mir, mich Ihr zu nähern. Voller Güte nahm sie mich bei der Hand und sagte „Schau“. Ich blickte um mich und bemerkte, daß alle diese Jungen verschwunden waren, und an ihrer Stelle sah ich eine Menge Ziegen, Hunde, Katzen, Bären und verschiedene andere Tiere. „Hier ist dein Feld, auf dem du arbeiten sollst. Werde demütig, stark, widerstandsfähig; und was du jetzt mit diesen Tieren geschehen siehst, das sollst du für meine Kinder tun.“ Ich schaute nun um mich und siehe da, an Stelle der wilden Tiere erschienen lauter zahme Lämmer, die alle springend und blökend umherliefen, als ob sie diesen Mann und diese Frau feiern wollten. Immer noch im Traum fing ich an zu weinen und bat ihn, doch in verständlicher Weise sprechen zu wollen, weil ich nicht wußte, was das bedeuten sollte. Da legte mir die Frau die Hand auf den Kopf und sagte zu mir: „Zur rechten Zeit wirst du alles verstehen”.

[Abschließende Rahmenhandlung] Als sie das gesagt hatte, weckte mich ein Geräusch auf [und alles war verschwunden][8]. Ich war verwirrt. Mir schien, als täten meine Hände von den ausgeteilten Schlägen noch weh, und mein Gesicht schmerzte von den Ohrfeigen, die ich erhalten hatte; dazu beschäftigten mich diese Persönlichkeit, diese Frau, das Gesagte und das Gehörte dermaßen, daß es mir in dieser Nacht nicht mehr möglich war, Schlaf zu finden. Am Morgen erzählte ich den Traum sofort, zuerst meinen Brüdern, die darüber lachten, dann meiner Mutter und der Großmutter. Jeder gab dazu seine Deutung. Mein Bruder Giuseppe sagte: Du wirst ein Hirte von Ziegen, Schafen oder anderen Tieren. Meine Mutter: Wer weiß, ob er nicht Priester wird. Antonio meinte ganz trocken: Vielleicht wirst du Räuberhauptmann. Aber meine Großmutter, die zwar genug Ahnung hatte in Glaubensdingen, aber nicht lesen und schreiben konnte, sprach das Schlußwort: Um Träume muß man sich nicht kümmern. Ich war der Ansicht meiner Großmutter, aber trotzdem war es mir nie möglich, diesen Traum aus meinem Gedächtnis zu löschen. Die Dinge, die ich nun im Folgenden darlege, werden einiges davon erklären. Ich habe immer über all das geschwiegen; auch meine Verwandten machten davon keinen Gebrauch. Als ich aber 1858 nach Rom ging, um mit dem Papst über die Salesianische Kongregation zu verhandeln, ließ er sich genauestens alles erzählen, was auch nur den Anschein des Übernatürlichen hätte. Da habe ich zum ersten Male von dem Traum mit neun oder zehn Jahren erzählt. Der Papst trug mir auf, ihn wörtlich und genau niederzuschreiben und ihn zur Ermutigung den Söhnen der Kongregation, welche der Zweck dieser Reise nach Rom war, zu hinterlassen.

Derselbe Traum wiederholt sich mehrmals in Don Boscos Leben. Don Bosco selbst, der uns eigenhändig in seinen Erinnerungen dieses erste Auftreten, dessen zweihundertsten Jahrestag wir feiern, erzählt hat, berichtet auch bei mehreren Gelegenheiten, was er im Abstand von vielen Jahren erneut träumt. Der Traum mit neun Jahren ist nämlich kein Einzelfall, sondern gehört zu einer langen, sich ergänzenden Folge von Träumen, die das Leben Don Boscos begleitet haben. Er selbst verbindet drei grundlegende Träume miteinander: den Traum von 1824 (in Becchi), den Traum von 1844 (im kirchlichen Konvikt) und den von 1845 (im Werk der Gräfin Barolo), in denen sich sowohl gleichbleibende als auch neue Elemente finden. In dem Traum lassen sich wie eine Art Wasserzeichen immer die erste Rahmenhandlung und die Szene auf der Wiese in Becchi erkennen, aber mit neuen Einzelheiten, Reaktionen und Botschaften, die dem Lebensalter des nun nicht mehr neunjährigen Johannes, sondern dem Don Boscos bei der vollen Entfaltung seiner Sendung entsprechen.

Viele Jahre später im Jahr 1875 erzählte der nun sechzigjährige Don Bosco bei einer anderen Gelegenheit Don Barberis seinen Traum. In der Zwischenzeit hatte Don Bosco der Gründung der salesianischen Kongregation (18. Dezember 1859), der Maria-Hilf-Erzbruderschaft (18. April 1869), des Instituts der Töchter Mariä, der Helferin der Christen (5. August 1872) und der Frommen Gesellschaft der salesianischen Mitarbeiter – laut dem ihr von Don Bosco gegebenen, ursprünglichen Namen –, die am 9. Mai 1876 bestätigt wurde, beigewohnt.

Als er diesen Traum das letzte Mal hat, ist Don Bosco, wie ich schon sagte, ein reifer Mann: Er hat vieles erlebt, er hat sich zahlreichen Schwierigkeiten gestellt und diese überwunden, er hat persönlich feststellen können, was die Gnade und die Liebe der Jungfrau Maria in seinen Jungen bewirkt haben; er hat viele Wunder der Vorsehung gesehen und nicht wenig gelitten. „‚Eines Tages wirst du alles verstehen‘ war ihm im ersten Traum prophezeit worden. Im Jahr 1887 bei der Weihemesse der Kirche Sacro Cuore in Rom hörte er jene Stimme in seinem Kopf widerhallen und weinte vor Freude, er weinte, während er die bewundernswerten Folgen seines nicht zu entmutigenden Glaubens betrachtete“.[9]

2. EIN TRAUM, AUF DEN ALLE GENERALOBEREN BEZUG GENOMMEN HABEN

Besonders beeindruckt bin ich von der Tatsache, dass alle Generaloberen bis auf Don Rua, von dem ich kein Zitat finden konnte, auf den Traum Bezug genommen haben, auf diesen Traum Don Boscos, der unsere Kongregation und die Don-Bosco-Familie geprägt hat. Ich nutze hier eine großartige Forschungsarbeit von Herrn Marco Bay.[10]

Don Paolo Albera, der zweite Nachfolger Don Boscos, bezieht sich auf das Oratorium von Valdocco als Don Boscos erstes und für viele Jahre einziges Oratorium und spricht von dem geheimnisvollen Traum, in dem die Vorsehung ihm die Sendung anvertraute:

„Das erste, für viele Jahre einzige Oratorium Don Boscos war das Sonn- und Feiertagsoratorium, sein Sonntagsoratorium, welches er bereits in dem geheimnisvollen Traum mit neun Jahren erblickte wie auch in den folgenden, die ihm nach und nach das ihm anvertraute Werk der Vorsehung vor Augen führten“.[11]

Don Philipp Rinaldi, der dritte Nachfolger Don Boscos, darf den hundertsten Jahrestag des Traumes erleben und bemüht sich, dass die ganze Kongregation von der Gnade durchdrungen wird, dieses Ereignis zu erleben. Er schreibt zur Ermutigung:

„In meinem Rundbrief zum Jubiläum unserer Kongregation habe ich bereits, liebe Söhne, auf den hundertsten Jahrestag des ersten Traums von Don Bosco hingewiesen und Euch eingeladen, diesen Traum zu betrachten und ihn umzusetzen […]. Lasst uns gemeinsam, meine Lieben, die von unserem verehrungswürdigen Vater zu unserer Unterweisung im Gehorsam gegenüber dem Stellvertreter Jesu Christi niedergeschriebene Seite erneut lesen; ja, lasst sie uns mit großer Verehrung lesen und sie Wort für Wort in unserem Gedächtnis verankern, diese Seite, die uns den übernatürlichen Ursprung, die innere Natur und die spezifische Form unserer Berufung beschreibt. Je mehr man sie liest, umso mehr erscheint sie neu und lichtreich“.[12]

In demselben Schreiben lässt er die Mitbrüder wissen, dass, so wie Don Bosco in seinem Traum mit neun Jahren zu einer Sendung berufen wurde, auch wir unter der Führung der Jungfrau berufen sind, mit der wohlwollenden Führung der Jungfrau selbst, die uns an der Hand nimmt, uns unser Betätigungsfeld zeigt und uns auf tausend Arten anregt, die Gaben der Demut, der Kraft und der Gesundheit zu erwerben. Wir verstehen sehr gut, dass die entschiedene Aufforderung, stark, demütig und widerstandsfähig zu sein, auch für uns gilt. Eine Aufforderung, die die Dame aus dem Traum dem kleinen Johannes Bosco übermittelte.

„Auch wir haben den Auftrag erhalten, uns die notwendigen Mittel anzueignen, um diese Methode in die Praxis umzusetzen, nämlich Gehorsam und Wissen, unter der Führung der Jungfrau. Das haben wir in den Jahren unserer religiösen und priesterlichen Ausbildung getan (oder tun es noch). Während all dieser glücklichen Jahre nahm auch uns die Heilige Jungfrau gütig an der Hand und zeigte uns unser künftiges Betätigungsfeld, sie ermunterte uns auf jede Weise zur Erlangung von Demut, Stärke und Gesundheit, den Eigenschaften, die für jeden wahren Sohn Don Boscos unbedingt notwendig sind. Auch wir werden schließlich sehen, wie Scharen von jungen Menschen, die zuvor völlig unwissend über die Dinge Gottes waren und vielleicht schon unglückliche Opfer des Bösen, erleuchtet, geheilt und freudig Jesus und Maria, die Helferin der Christen, feiern“.[13]

Beinahe als eine Ermutigung, diesen zweihundertsten Jahrestag groß und bedeutsam zu feiern, zitiere ich aus der Zeitschrift Bollettino Salesiano zu der Zeit von Don Rinaldi, der von der Feier in Rom erzählt, bei der er selbst anwesend war:

„Für einen Traum – schrieb der Corriere d‘Italia am vergangenen 2. Mai –, für die ideale Schönheit eines Traums – fanden sich gestern im geräumigen Hof des Don-Bosco-Werks in Rom Kardinal Cagliero, der verehrungswürdige Missionar, Don Rinaldi, der Nachfolger Don Boscos, und Pietro Fedele, der Minister für Bildung, inmitten einer Schar tausender sehnsüchtig wartender und applaudierender Menschen wieder, um dem unvergleichlichen Lehrmeister, der in der leuchtenden Demut des Glaubens den strahlenden Pfaden jenes erhabenen Traums gefolgt war, die gerührte Huldigung aller Kräfte des Geistes zu erweisen […]. Eine lebendige Krone von jungen Menschen, Jungen und Mädchen, von Ehemaligen Don Boscos; eine große Schar an Menschen jeden Standes – Berufstätige, Lehrer, Soldaten, Priester – alle im Namen des gütigen Lehrmeisters versammelt“.

„Vor hundert Jahren [ebenso ein Heiliges Jahr, warum nicht daran erinnern?] träumte der junge Don Bosco einen süßen und geheimnisvollen Traum. Er sah zuerst eine Gruppe Straßenjungen, die sich fluchend untereinander stritten; er versuchte sie mit dem Stock zur Ordnung zu rufen; dann sah er eine Dame und einen Herrn, die ihn zu einer anderen Gruppe führten, dieses Mal eine Gruppe Tiere, Hunde und Katzen, die kläffend und miauend auch miteinander stritten, sich jedoch auf ein geheimnisvolles Zeichen der Beiden hin in eine Herde friedlicher Lämmer verwandelten“.

„Nach hundert Jahren ist dieser Traum Realität, eine strahlende, pulsierende, großartige Realität; er ist eine fantastische Geschichte, die bereits das Schicksal von Millionen Menschen beeinflusst, in Schulen, in den Missionen, im Leben, im Gebet, in der Hoffnung; all die Geschöpfe, die Don Bosco gegrüßt haben und grüßen, den größten und heiligsten Lehrmeister des Lebens, den die Kirche und Italien der Welt in unserem Jahrhundert geschenkt haben“.[14]

Don Pietro Ricaldone, der vierte Nachfolger Don Boscos, sah den Keim des Sonn- und Feiertagsoratoriums und des gesamten salesianischen Werkes in dem Traum, den der kleine Johannes mit neun Jahren hatte. Don Ricaldone erwähnt, dass viele weitere Etappen folgen, viele Stationen einer Wanderschaft, bevor er im Pinardi-Schuppen in seinem Zuhause ankommt.

„Es besteht kein Zweifel, dass der erste Keim des Sonn- und Feiertagsoratoriums und des ganzen salesianischen Werkes, wie ich gerade sagte, auf den schicksalhaften Traum zurückgeht, den Johannes im Alter von neun Jahren hatte. Schon damals sagte die Dame von majestätischer Erscheinung zu dem Hirtenjungen aus Becchi: „Siehe dein Feld; werde demütig, stark, widerstandsfähig; und was du jetzt mit diesen Tieren geschehen siehst, das sollst du für meine Kinder tun.“

Becchi, Moncucco, Castelnuovo, Chieri sind weitere Etappen: Aber der kleine Johannes Bosco ist gerade erst auf seinem Weg; er geht auf ein höheres Ziel zu. Der 8. Dezember 1841 ist mehr noch als ein Ziel ein weiterer Ausgangspunkt. Bevor er zum Pinardi-Schuppen in Valdocco, seinem verheißenen Land, gelangt, muss er neue Wanderungen unternehmen. Um zum ersten Bild zurückzukehren: Das zarte Pflänzchen hat endlich seinen eigenen Boden gefunden; von nun an werden wir sehen, wie es über alle menschliche Erwartung hinaus groß und kräftig wird“.[15]

Don Ricaldone glaubt sogar, dass auch die Liebe und der Eifer Don Boscos für die Berufungen ihren Ursprung im Traum mit neun Jahren haben:

„Don Boscos Liebe und sein Eifer für Berufungen haben ihren ersten Ursprung in dem schicksalhaften Traum, den er im Alter von neun Jahren hatte und der sich über einen Zeitraum von fast zwanzig Jahren auf verschiedene, im Wesentlichen gleichförmige Weise wiederholte […]. Nach diesem Traum wuchs nämlich in dem kleinen Johannes der Wunsch zu studieren, um Priester zu werden und sich dem Heil der Jugend zu widmen“.[16]

Don Renato Ziggiotti, der fünfte Nachfolger Don Boscos, hebt besonders das große Geschenk hervor, das die Lehrmeisterin für Don Bosco war. Tatsächlich ist es der Herr, der dem jungen Johannes das Geschenk seiner eigenen Mutter, vor allem als Führerin, macht. Don Ziggiotti schreibt dazu:

„‚Ich werde dir die Lehrerin geben, unter deren Anleitung du klug werden kannst, und ohne die jedes Wissen töricht wird‘ lauten die schicksalhaften Worte des ersten Traums, die von der geheimnisvollen Person ausgesprochen werden, dem ‚Sohn derjenigen, die deine Mutter dich dreimal täglich zu grüßen gelehrt hat‘. Es ist also Jesus, der Don Bosco seine Mutter als Lehrmeisterin und unfehlbare Führerin auf dem harten Weg seines ganzen Lebens gibt. Wie kann man für dieses außergewöhnliche Geschenk ausreichend danken, das der Himmel unserer Familie gemacht hat?“[17]

Und sie, die Mutter, die Muttergottes, die Dame aus dem Traum wird für Don Bosco alles sein. Diese Gewissheit war bei Don Ziggiotti sehr stark und allumfassend, und sie ist das, was er von jedem Salesianer verlangte:

„Die Muttergottes, der er bei seiner Geburt von seiner Mutter geweiht wurde, die ihm im Traum mit neun Jahren die Zukunft erleuchtete und dann zurückkehrte, um ihn zu trösten und zu beraten, in tausend Formen, in Träumen, im prophetischen Geist, in der inneren Schau des Zustands der Seelen, in den unzähligen Wundern und Gnaden, die er durch ihre Anrufung erwirkte; die Muttergottes ist alles für Don Bosco; und der Salesianer, der den Geist des Gründers erwerben will, muss ihn in dieser Verehrung nachahmen“.[18]

Don Luigi Ricceri, der sechste Nachfolger Don Boscos, hat wunderbare Ausdrücke zur Bedeutung des Traums mit neun Jahren gefunden. Don Ricceri betont, wie wichtig dieser Traum für Don Bosco war, sodass er sich für immer in sein Herz und seinen Verstand eingeprägt hat, und wie er sich dadurch von Gott berufen fühlte:

Der Traum mit neun Jahren. Das ist der Traum – so schreibt Don Bosco in seinen Erinnerungen –, der mir mein ganzes Leben lang tief in Erinnerung blieb“ (EO, S. 46).

Der unauslöschliche Eindruck dieser Traumvision ist der Tatsache geschuldet, dass sie wie ein plötzliches Licht war, das den Sinn seines jungen Lebens klärte und ihm den Weg aufzeigte. Don Bosco fühlte sich wie der kleine Samuel berufen und von Gott mit einem Auftrag gesandt: die Rettung der jungen Menschen an allen Orten und zu allen Zeiten; die jungen Menschen aus christlichen Ländern und die ‚Mehrzahl‘ derjenigen, die in nicht-christlichen Regionen noch in der Erwartung der Ankunft des Herrn leben“.[19]

Don Ricceri erzählt, dass dies der Traum sei, in dem Don Bosco, der aufgrund seines jungen Alters noch keine vollkommene Klarheit hat, den großen Wert erkennt, für die Rettung der Seelen zu leben, und diese Überzeugung nimmt in seinem Leben, in seinem Verstand, in seinem Geist immer mehr Gestalt an als ein Geschenk der Gnade. Durch dieses entscheidende Ereignis in seinem Leben hatte Don Bosco die erste große Ahnung davon, wie das zukünftige Präventivsystem aussehen würde. „Nicht mit Schlägen, sondern mit Liebe sollst du sie zu Freunden gewinnen“, beschrieb Don Bosco in der Schilderung des Ereignisses, was er von der Dame hörte. Sodass man für die Zukunft von einer kostbaren Beziehung zwischen Don Bosco und der Mutter des Herrn sprechen kann. Don Ricceri drückt das in großartigen Worten aus:

„Nach diesem Traum entwickelte sich zwischen Don Bosco und der Mutter Jesu eine Zweierbeziehung, eine ständige Zusammenarbeit, die das Leben des zukünftigen Apostels prägte“.[20]

Don Egidio Viganò, der siebte Nachfolger Don Boscos, bietet uns weitere, nicht weniger anregende Überlegungen an. Ich freue mich über diese großartige Kontinuität aller Generaloberen beim Lesen, Meditieren und Interpretieren des Traums par excellence, aus dem sie auch für die jeweilige Gegenwart nützliche Erkenntnisse ziehen. Don Viganò bestätigt wie andere Nachfolger Don Boscos vor ihm, dass Maria die wahre Inspiratorin, Lehrmeisterin und Führerin der Berufung unseres Vaters Johannes Bosco ist.

„Es scheint mir besonders interessant zu sein, darauf aufmerksam zu machen, daß sich in seinem gläubigen Bewußtsein schon im Alter von 9 Jahren Maria in dem berühmten Traum (der sich mehrmals wiederholen sollte und den Don Bosco für sein Leben besonders einschneidend hielt) als eine Person zeigte, die direkt für den Sendungsplan in seinem Leben von großer Bedeutung war; es ist eine Frau, die besondere ‚pastorale‘ Sorge für die Jugend zeigt; sie stellte sich ihm ja ‚als Hirtin‘ vor. Wir bemerken hier sofort, daß es nicht der kleine Giovanni ist, der sich für Maria entschied, sondern daß es in erster Linie Maria ist, die die Initiative der Entscheidung ergreift. Sie wird auf Bitten ihres Sohnes Inspiratorin und Führerin seiner Berufung“.[21]

Dank dieser wunderbaren Erfahrung konnte Johannes eine sehr persönliche Beziehung zu Maria – der Dame aus dem Traum – aufbauen. Deswegen wird Don Bosco sein ganzes Leben lang bei verschiedenen Gelegenheiten die ganz besondere und große Zuneigung Mariens erfahren. Es handelt sich wirklich um eine außergewöhnliche Beziehung zur Jungfrau Maria.

Auch Don Juan Edmundo Vecchi, der achte Nachfolger Don Boscos, stellt fest, dass Don Bosco in seiner Überzeugung, zu den jungen Menschen gesandt zu sein, alles auf dieses eine heilige Ziel, die jungen Menschen, konzentrieren und er ihnen seine ganze Energie widmen musste. Das ist der rote Faden, den Don Bosco seinem Leben in den Erinnerungen an das Oratorium vom ersten Traum ausgehend gibt: „Der Herr hat mich für die jungen Menschen gesandt, deswegen muss ich mich bei anderen nicht dazugehörigen Dingen schonen und meine Gesundheit für sie bewahren“.[22] Dabei war er immer überzeugt, ein Werkzeug des Herrn zu sein und dass sein ganzes Leben durch diesen Ruf und die Sendung mitten unter den Jugendlichen geprägt war. Das bestätigt auch ein anderer großer Kenner Don Boscos: „Der Glaube, ein Instrument des Herrn für eine einzigartige Sendung zu sein, war bei ihm tief und unerschütterlich. Darauf gründete in ihm die religiöse Haltung des biblischen Dieners, des Propheten, der sich dem göttlichen Willen nicht entziehen kann“.[23]

Schließlich gibt es bei Don Pascual Chávez, dem neunten Nachfolger Don Boscos, unter einer großen Anzahl an Texten einen, der mich besonders bewegt. Es ist eine Hymne an die mütterliche Gestalt von Mama Margareta, die es mit der Gnade Gottes verstand, den kleinen Johannes zu begleiten, indem sie ahnte und deutete, wie der Herr und die Jungfrau Maria ihren Sohn in seinem Traum mit neun Jahren zu einer ganz besonderen Berufung riefen. Don Pascual bestätigt, dass man von Mama Margareta als einer echten „salesianischen“ Erzieherin sprechen kann.

„Diese erzieherische Kunst war es, die es Mama Margareta erlaubte, die verborgenen Kräfte in ihren Söhnen zu entdecken, sie ans Licht zu fördern, sie zu entfalten und sie sozusagen sichtbar in ihre Hände zu legen. Das gilt besonders im Hinblick auf ihre reichste Frucht: Giovanni. Wie beeindruckend ist es, in Mama Margareta diesen bewussten und klaren Sinn ‚mütterlicher Verantwortung‘ vorzufinden, mit der sie den eigenen Sohn aus nächster Nähe christlich begleitet hat. Dennoch ließ sie ihm seine Selbständigkeit in Bezug auf die Berufung; begleitete ihn aber ununterbrochen in allen Phasen seines Lebens bis zu ihrem Tod!

Der Traum, den der kleine Giovanni mit neun Jahren hatte, war eine Offenbarung für ihn, aber sicher auch (wenn nicht schon früher) für Mama Margareta. Sie war es, die die Interpretation bereithatte und darlegte: ‚Wer weiß, ob du nicht Priester werden sollst!‘ Einige Jahre später, als sie verstand, dass das Klima im Hause wegen der Feindseligkeit des Stiefbruders Antonio auf Giovanni negativ wirkte, brachte sie das Opfer, ihn als Bauernjungen auf den Hof Moglia in der Nähe von Moncucco zu schicken. Eine Mutter, die auf ihren jüngsten Sohn verzichtet, um ihn zum Arbeiten aufs Land, weit von zu Hause weg, zu schicken, bringt ein echtes Opfer. Aber sie tat es nicht nur, um eine familiäre Zwietracht auszuschalten, sondern um Giovanni auf jenen Weg zu lenken, den ihm (und ihr) der Traum offenbart hatte […]. Die göttliche Vorsehung schenkte ihr die Gnade, eine von einer zuvorkommenden Liebe beseelte ‚salesianische‘ Erzieherin zu sein“.[24]

3. DER PROPHETISCHE TRAUM: ein kostbares Kleinod des Charismas der Don-Bosco-Familie

Im vorhergehenden Abschnitt haben wir gesehen, wie Don Philipp Rinaldi die Mitbrüder einlud, den Traum zu lesen, um ihn zu vertiefen, zu verinnerlichen und sein Echo im Herzen zu spüren. Sicherlich lud er in diesem Augenblick auch die Don-Bosco-Schwestern, die Salesianischen Mitarbeiter Don Boscos, die Angehörigen der ADMA und ich denke auch die Ehemaligen ein. Daran zweifle ich nicht. Ganz gewiss erkennen alle Schriften – seien es geschichtliche Forschungen, historisch-kritische Untersuchungen, Reflexionen über die salesianische Spiritualität oder erzieherisch-pastorale Interpretationen – einstimmig an, dass dieser Traum sehr viel mehr als ein einfacher Traum ist. Er enthält nämlich so viele charismatische Elemente, dass ich es wagen möchte, ihn als ein kostbares Kleinod unseres Charismas und als eine eigene „Road Map“ für die Don-Bosco-Familie zu bezeichnen.

Man könnte wirklich sagen, dass bei ihm nichts fehlt und nichts überflüssig ist. Das möchte ich nun erörtern.

3.1.       Betrachtung des Traums

Wohin sollen wir in diesem Moment schauen? Zunächst auf den Traum selbst, der nämlich einen überraschenden charismatischen Reichtum enthält. Wie ich bereits gesagt habe, gibt es kein Wort zu viel und es fehlt gewiss auch keines. Die Bemühungen Don Boscos sind mehr als offensichtlich, uns beim Aufschreiben des Traums zu vermitteln, dass es sich nicht nur um „einen“ Traum handelt, sondern dass wir ihn als „den“ Traum sehen müssen, der sein ganzes Leben prägen sollte – auch wenn er sich das als Kind noch nicht vorstellen konnte. In der Tat „musste Don Bosco sich als beinahe Sechzigjähriger – er fühlte sich nun alt und er war es auch für seine Zeit – dem Problem stellen, seiner Kongregation durch die Erinnerung an die von der Vorsehung bestimmten, sie rechtfertigenden Ursprünge ein historisch-spirituelles Fundament zu geben. Was gab es Besseres, als seinen Söhnen zu ‚erzählen‘, dass die Wiege der ‚Kongregation der Oratorien‘ in ihrer Entstehung, Entwicklung, Zielsetzung und Methode eine von Gott als Mittel zur Rettung der Jugend in den neuen Zeiten gewollte Institution war?“[25] In der Tat sind nämlich die Erinnerungen an das Oratorium, in denen Don Bosco seinen Traum erzählt, nichts anderes als der Traum, der sich in seiner Lebensgeschichte, im Oratorium und in der Kongregation entfaltet. Daher schreibt Don Bosco auch in der Einführung zu seinem Manuskript:

Ich „mache […] mich daran, die vertraulichen Dinge genau niederzulegen. Sie könnten so dieser Einrichtung, die die Göttliche Vorsehung der Gesellschaft des hl. Franz von Sales anvertraut hat, als Licht dienen oder ihr zum Nutzen werden“ (EO, S. 40). Und „[w]ozu also kann diese Arbeit gut sein? Indem sie aus der Vergangenheit Lehre zieht, wird sie als Norm bei der Überwindung der zukünftigen Schwierigkeiten dienen. Sie wird zum Verständnis dafür beitragen, wie Gott selbst alles und zu jeder Zeit geführt hat. Meinen Söhnen wird sie als vergnügliche Unterhaltung dienen, wenn sie über das lesen können, was ihr Vater erlebt hat, und sie werden darin umso lieber lesen, wenn ich, zu Gott gerufen, um Rechenschaft über mein Handeln abzulegen, nicht mehr bei ihnen sein werde“ (EO, S. 41).

Die Erzählung der Erinnerungen an das Oratorium (und des Traums mit neun Jahren, der dazugehört) war so wichtig, dass bedeutende salesianische Experten sie ein Leben lang untersuchten und im Lauf der Jahre verschiedene Perspektiven entwickelten. Ein reiches, bemerkenswertes Beispiel dafür sind zum Beispiel die verschiedenen Akzente, die Don Pietro Braido, der große Erforscher der salesianischen Pädagogik, über mehrere Jahrzehnte hinweg gesetzt hat. Es handle sich um „eine erbauliche Geschichte, die ein Gründer den Mitgliedern seiner Gesellschaft von Aposteln und Erziehern hinterlassen hat, welche sein Werk und seinen Stil fortführen sollten, indem sie den darin [= im Text] enthaltenen Weisungen, Orientierungen und Lektionen folgen“ (1965); oder um „eine eher ‚theologische‘ und pädagogische als eine reale Geschichte des Oratoriums, vielleicht das ‚Theorie‘-Dokument zur Animation, das Don Bosco am längsten meditiert und gewollt hat“ (1989); „vielleicht das inhaltlich reichhaltigste Buch mit Orientierungen zur Prävention“, das Don Bosco geschrieben hat: „ein Handbuch der Pädagogik und Spiritualität, das in einer deutlich oratorianischen Perspektive ‚erzählt‘ wird“ (1999); oder auch eine Schrift, in der die „Parabel und die Botschaft“ vor und „über der Geschichte“ stehen, um Gottes Handeln in den menschlichen Ereignissen zu zeigen und so zu erfreuen und neu zu erschaffen, um „die Jünger zu trösten und zu bestätigen“ in einer deutlich „oratorianischen“ Perspektive (1999).[26]

Einer der kostbaren Steine dieses Kleinodes, auf den ich mich beziehe, erlaubt es uns, die wir mit einem salesianischen Herzen in den Traum eintreten, was auch immer unser christlich-salesianischer Weg oder unser Weg in der Don-Bosco-Familie sein mag, uns in unserem Herzen zu fragen: Sind wir bereit zu lernen, sind wir bereit, uns von Gott, der unser Leben so begleitet, wie er das Leben Don Boscos geführt hat, überraschen zu lassen und uns als Söhne und Töchter vor dieser unermesslichen Vaterschaft zu fühlen, die von der Persönlichkeit unseres Vaters ausgeht? Denn:

– Wenn wir nicht GLÄUBIG werden und nicht davon überzeugt sind, dass Gott in der Geschichte, in der Geschichte Don Boscos und in unserer persönlichen Geschichte handelt, werden wir wenig oder gar nichts von den Erinnerungen an das Oratorium und von dem Traum verstehen. All dies wird nur eine „schöne Geschichte“ sein.

– Wenn wir nicht SÖHNE oder TÖCHTER werden, wird es uns nicht gelingen, uns auf die Vaterschaft, die Don Bosco durch die Erinnerungen an das Oratorium vermitteln will, einzustellen.

– Wenn wir nicht JÜNGER werden, die bereit sind zu lernen, treten wir nicht wirklich in den Geist der Erinnerungen an das Oratorium und in den Traum ein.

Mir scheint, dass diese drei Ausgangsbestimmungen (Glaube, Kindschaft und Jüngerschaft) „wesentliche Schlüssel“ sind, um das, was Don Bosco erzählt und uns als geistiges Vermächtnis hinterlassen hat, zu verstehen und für uns selbst anzunehmen. Was sich in seinem Leben ereignet und ihn für immer geprägt und erleuchtet hat, wollte Don Bosco als ein Vermächtnis hinterlassen, das seinen Salesianern und uns allen, die wir uns durch die Gnade als Teil seiner Familie fühlen und es sind, zutiefst helfen möge.

3.2.      Die Jungen, Hauptdarsteller des Traums …

Ab dem ersten Moment des Traums wird die Johannes Bosco anvertraute, „oratorianische Sendung“ deutlich, auch wenn er nicht recht weiß, wie er sie ausführen oder ausdrücken soll. Wie wir sehen können, ist der Schauplatz voller Jungen; es sind Jungen, die im Traum des kleinen Johannes ganz real sind.

Deshalb kann man behaupten, dass die Jungen die zentralen Hauptdarsteller des Traums sind. Auch wenn sie kein Wort sagen, dreht sich alles um sie. Außerdem sind die „himmlischen“ Personen und Johannes Bosco dank ihnen und für sie da. Der ganze Traum gehört also ihnen und ist für sie: für die Jungen. Wenn wir die jungen Menschen aus diesem Traum ausschließen würden, bliebe nichts Bedeutendes mehr für unsere Sendung übrig.

Es ist jedoch interessant, dass sie nicht wie eine Fotografie sind, die ein Bild in einer Momentaufnahme festhält. Die Jungen sind in ständiger Bewegung und Aktion: sowohl wenn sie aggressiv (wie Wölfe) sind und sie sich nicht ertragen können, als auch wenn sie sich so verwandeln, wie es die Dame des Traums von Johannes verlangt, und zu gelassenen, freundlichen und herzlichen Jungen (wie Lämmer) werden. Das Wichtigste, was in dem Traum geschieht und was Don Bosco selbst und später auch seine Anhänger lernen, ist die Erkenntnis, dass der Verwandlungsprozess immer möglich ist. Es ist eine – erlaubt mir den Ausdruck – „österliche“ Bewegung der Bekehrung und der Verwandlung, von Wölfen in Lämmer und von Lämmern in eine – wie wir heute sagen würden – Gemeinschaft junger Leute, die Jesus und Maria feiert. Das scheint mir ein wesentliches und zentrales Element des Traums zu sein.

3.3.       … wo es eine klare Berufung gibt

„Hier ist dein Feld […]. Werde demütig, stark, widerstandsfähig; und was du jetzt mit diesen Tieren geschehen siehst, das sollst du für meine Kinder tun“ (EO, S. 47). Was im Traum passiert, ist vor allem ein Ruf, eine Einladung, eine Berufung, die unmöglich, unerreichbar scheint. Der kleine Johannes Bosco wacht müde auf, er hat sogar geweint. Wenn der Ruf von Gott kommt (die Person von majestätischer Erscheinung im Traum ist Jesus), so ist die Richtung, die ein solcher Ruf nehmen kann, unvorhersehbar und verwirrend.

Dieser Ruf ist im Traum etwas ganz Besonderes, er besitzt einen einzigartigen Reichtum. Ich sage das, weil es scheinen könnte, als ob für Johannes aufgrund seines Alters, seiner Vaterlosigkeit, des fast völligen Mangels an Mitteln, der Armut, der Probleme innerhalb der Familie, der Streitigkeiten mit seinem Halbbruder Antonio, des erschwerten Schulbesuchs aufgrund der Entfernung und der Notwendigkeit, auf den Feldern zu arbeiten, keine andere Möglichkeit besteht, als hier zu bleiben, um die Felder zu bestellen und die Tiere zu hüten. Auch uns mag der Traum unerreichbar und weit weg erscheinen, vielleicht für jemand anderen bestimmt, aber nicht für ihn. Die gleiche Auslegung des Traums geben auch die Verwandten des kleinen Johannes, wie die Worte seiner Großmutter bestätigen: „Um Träume muß man sich nicht kümmern“ (EO, S. 48).

Doch gerade diese schwierige Situation macht Don Bosco (zu dieser Zeit noch der kleine Johannes) sehr menschlich, hilfsbedürftig, aber auch stark und enthusiastisch. Seine Willensstärke, sein Charakter, sein Temperament, seine Seelenstärke und die Entschlossenheit seiner Mutter, Mama Margareta, sowie ein tiefer Glaube sowohl seitens seiner Mutter als auch bei Johannes selbst machen das alles möglich. Der Traum wird immer da sein, er wird ihn jedoch erst durch das Leben entdecken: Ich habe es verstanden, als nach und nach alles in Erfüllung ging … Es ist keine Magie, keine „Zauberei“, es gibt keine Prädestination, sondern ein Leben voller Bedeutung, Anforderungen, Opfer, aber auch voll Glaube und Hoffnung, die uns drängen, es zu entdecken und jeden Tag zu leben.

Im Traum erscheint ein ehrenwerter Mann im besten Alter, der mit Johannes spricht, ihn befragt und ihn in die Hände seiner Mutter, der Dame, legt. Das ist ganz sicher eine Aussendung. Eine erzieherisch-pastorale Sendung, für die auch eine Methode genannt wird: Milde und Liebe. Hier nun ein Beispiel seiner Berufungsantwort:

„Johannes, der von klein auf der göttlichen Eingebung treu war, begann in dem ihm von der Vorsehung zugewiesenen Bereich zu arbeiten. Mit noch nicht einmal zehn Jahren war er bereits ein Apostel unter seinen Landsleuten in der Ortschaft Murialdo. Ist nicht das, was der kleine Johannes mit den Mitteln, die zu seinem Alter und seiner Bildung passen, im Jahr 1825 beginnt, schon ein Sonn- und Feiertagsoratorium, wenn auch nur in Ansätzen, als Entwurf?

Er besaß ein erstaunliches Gedächtnis, war ein Liebhaber von Büchern und eifrig bei Predigten. Er machte sich alles, Belehrungen, Fakten, Beispiele zunutze, um sie seinen kleinen Zuhörern zu wiederholen, und flößte mit bewundernswerter Wirksamkeit die Liebe zur Tugend all jenen ein, die kamen, um seine Geschicklichkeit beim Spiel zu bewundern und seine kindlichen, aber warmherzigen Worte zu hören“.[27]

3.4.      Und sie, Maria, wird den Traum des kleinen Johannes und das Leben Don Boscos für immer prägen

Wir kommen nun zu dem zentralen Moment des Traums: die mütterliche Vermittlung der Dame (verbunden mit dem Geheimnis ihres Namens). Für Johannes Bosco sind seine Mutter und die Mutter desjenigen, die er dreimal täglich grüßt, ein Ort der Menschlichkeit, an dem er sich ausruhen kann, wo er Sicherheit und Schutz in den schwierigsten Situationen findet.

„Ich werde dir die Lehrerin geben, unter deren Anleitung du klug werden kannst, und ohne die jedes Wissen töricht wird“ (EO, S. 47). In der Tat zeigt sie ihm das Feld, auf dem er arbeiten soll, als auch die zu nutzende Methode: „Hier ist dein Feld, auf dem du arbeiten sollst. Werde demütig, stark, widerstandsfähig“ (EO, S. 47). Maria wird von Anfang an für die Geburt eines neuen Charismas hinzugezogen, weil es ihre Eigenheit ist, ein Kind auszutragen und zur Welt zu bringen: Deshalb verfügt der Herr, wenn es sich um einen Gründer handelt, der vom Heiligen Geist das ursprüngliche Licht des Charismas empfangen soll, dass seine eigene Mutter, die pfingstliche Jungfrau und das unbefleckte Vorbild der Kirche, Lehrmeisterin für ihn sein soll. Nur sie, „voll der Gnade“, versteht nämlich alle Charismen von innen heraus, wie ein Mensch, der alle Sprachen kennt und sie wie seine eigene spricht.[28] Es ist, als ob der Herr des Traums zu dem sehr jungen Johannes Bosco sagen würde: „Vertrage dich von nun an mit ihr“.

„Wir bemerken hier sofort, daß es nicht der kleine Giovanni ist, der sich für Maria entschied, sondern daß es in erster Linie Maria ist, die die Initiative zur Entscheidung ergreift. Sie wird auf Bitten ihres Sohnes Eingebung und Führerin seiner Berufung“.[29]

Diese weiblich-mütterlich-marianische Dimension ist vielleicht eine der herausforderndsten Dimensionen des Traums. Wenn wir diese Gegebenheit gelassen betrachten, verwandelt sich dieser Aspekt in etwas Schönes. Jesus selbst gibt ihm eine Lehrmeisterin, die seine Mutter ist, und „seinen Namen muss er bei Ihr erfragen“; der kleine Johannes soll „mit seinen Kindern“ arbeiten und „Sie“ wird es sein, die für die Kontinuität des Traums im Leben sorgen wird. Sie wird ihn bis zum Ende seiner Tage an der Hand nehmen, bis zu dem Moment, in dem er wahrhaftig alles verstehen wird.

Es ist höchste Absicht, wenn wir sagen, dass bei dem salesianischen Charisma zugunsten der ärmsten, bedürftigsten und am meisten vernachlässigten Kinder das Handeln mit „Güte“, Milde und Liebe sowie die „marianische“ Dimension unverzichtbare Elemente für diejenigen sind, die dieses Charisma leben wollen. Die Gottesmutter hat unmittelbar mit der Bildung zur „Weisheit des Charismas“ zu tun. Daher ist es schwer zu begreifen, wie es im salesianischen Charisma jemanden geben mag, der die marianische Präsenz im Hintergrund lässt (sei es eine Person, Gruppe oder Institution). Ohne Maria von Nazareth sprächen wir von einem anderen Charisma, nicht vom salesianischen Charisma und auch nicht von den Söhnen und Töchtern Don Boscos.

Don Ziggiotti sagt es auf eine wunderbare Weise, wie wir bei der durchgeführten Recherche zu den Kommentaren der Generaloberen zum Berufungstraum gesehen haben:

„Ich möchte alle Salesianer von dieser sehr wichtigen Tatsache überzeugen, die die gesamte Existenz des Heiligen mit himmlischen Licht erfüllt und allem, was Er in seinem Leben tat und sagte, einen unbestreitbaren Wert verleiht: Die Muttergottes, der er bei seiner Geburt von seiner Mutter geweiht wurde, die ihm im Traum mit neun Jahren die Zukunft erleuchtete und dann zurückkehrte, um ihn zu trösten und zu beraten, in tausend Formen, in Träumen, im prophetischen Geist, in der inneren Schau des Zustands der Seelen, in den unzähligen Wundern und Gnaden, die er durch ihre Anrufung erwirkte; die Muttergottes ist alles für Don Bosco; und der Salesianer, der den Geist des Gründers erwerben will, muss ihn in dieser Verehrung nachahmen“.[30]

3.5.      Offen für den Heiligen Geist, im Vertrauen auf die Vorsehung

Gewiss gibt es viel zu lernen. Demütig, stark und widerstandsfähig zu werden, bedeutet, sich auf das vorzubereiten, was uns erwartet. Johannes Bosco sollte gehorsam und offen für die Weisheit des Meisters sein. Er sollte die Veränderungsprozesse sehen und entdecken; er sollte verstehen, dass der Weg, den er mit diesen Jungen geht, zum Leben führt und zur Begegnung mit dem Herrn des Traums und mit dessen Mutter, zu Jesus und Maria. Johannes Bosco hat dies alles entdeckt.

Der Spieleinsatz ist der Gehorsam gegenüber Gott, die Offenheit für den Heiligen Geist. So wie Maria „Dinge geschehen lässt“, das, was Gott gedacht und erträumt hat, in ihr geschehen lässt, bis hin zur Verkündigung des „fiat“ gegenüber Gott, dass der Herr Großes an mir getan hat, so sollte auch der Salesianer, die Don-Bosco-Schwester, alle SMDB, alle Angehörigen der ADMA, jedes Mitglied unserer salesianischen Familie, welche die Familie Don Boscos ist, diesen Stil der Offenheit für den Heiligen Geist lernen und sich zu eigen machen. Ich möchte hinzufügen, dass ich mir wünsche, dass dieser Stil in allen Phasen der Grundausbildung und beim lebenslangen Lernen jeder Gruppe, Kongregation und salesianischen Institution in Fleisch und Blut übergeht. Vergessen wir nicht, dass wir als die „Ausbilder“, die auch „Auszubildende“ sind, die ersten sein sollten, die sich wie Maria vom Heiligen Geist „formen lassen“.

Der Traum bietet wie kein anderes Element der Wirklichkeit das, was man meiner Ansicht nach als „unveräußerliche“ Anzeichen der DNA des Charismas bezeichnen kann. Diese Anzeichen oder „Prinzipien“ können uns dabei helfen, Gegebenheiten zu deuten, zu unterscheiden und schließlich in kreativer Treue zu handeln.

Vergessen wir auch nicht, dass dies eine gemeinschaftliche Aufgabe ist; wir müssen sie als Don-Bosco-Familie zusammen durchführen – in Anlehnung an die jüngsten synodalen Arbeiten könnten wir auch sagen, dass wir sie „synodal“ durchführen müssen.

Sich Don Bosco anzuschließen, indem wir über seinen Traum mit neun Jahren nachdenken, bedeutet auch, seine Hingabe an die Vorsehung zu betonen, uns wie er in das: „Zu seiner Zeit wirst du alles verstehen” einzuordnen. Der Traum selbst war für Don Bosco eine Wirkung der Vorsehung. Das ist die radikale Überzeugung, die grundlegende Entscheidung seines Lebens, das „Wesen der Seele Don Boscos“, der zentrale Punkt, der tiefste und intimste Teil seiner Person. Es besteht kein Zweifel, dass die Hingabe an die göttliche Vorsehung, wie er sie von seiner Mutter gelernt hatte, für unseren Vater entscheidend war und für uns die Garantie für die Kontinuität der salesianischen Spiritualität sein muss. Es ist die Hingabe an Gott, das Vertrauen in Gott, denn der Gott, den Don Bosco zu lieben gelernt hat, ist ein zuverlässiger Gott. Er wirkt tatsächlich in der Geschichte. Er handelte in der Geschichte des Oratoriums, sodass Don Bosco am 2. Februar 1876 zu den salesianischen Direktoren sagen konnte:

„Andere Kongregationen und Orden hatten in ihren Anfängen irgendeine Inspiration, irgendeine Vision, irgendein übernatürliches Ereignis, die den Anstoß zur Gründung gaben und deren Errichtung absicherten; aber meistens blieb es bei einem oder wenigen dieser anfänglichen Ereignisse. Hier bei uns verlaufen die Dinge jedoch ganz anders. Man kann sagen, dass es nichts gibt, was nicht schon vorher bekannt gewesen wäre. Es gab keinen Schritt der Kongregation, ohne dass ein übernatürliches Ereignis ihn empfohlen hätte; keine Änderung oder Verbesserung oder Erweiterung, der nicht eine Weisung des Herrn vorausgegangen wäre … Wir hätten zum Beispiel alle Dinge, die uns widerfahren sind, aufschreiben können, bevor sie geschehen sind, und sie in allen Einzelheiten präzise niederschreiben können“.[31]

3.6.      Aber „nicht mit Schlägen“. Die Kunst der Milde und der erzieherischen Geduld

Der Traum erzählt uns nicht nur von einer Vergangenheit, sondern auch von einer Gegenwart, von einem Heute, das äußerst aktuell ist. Das „Nicht mit Schlägen“, das die Gottesmutter im Traum zu Johannes sagt, fordert uns auch heute heraus und macht es mehr als je notwendig, über unsere salesianische Art und Weise, die jungen Menschen zu erziehen, nachzudenken, weil Hassrede und Gewalt weiter zunehmen. Unsere Welt wird immer gewalttätiger. Wir müssen als Erzieher und Glaubensverkünder für die jungen Menschen eine Alternative sein zu dem, was den jungen Johannes in seinem Traum so ängstigte und uns heute so verletzt. Wie es der Generalobere Don Pascual Chávez im Jahresleitgedanken von 2012 geäußert hat, müssen wir zweifelsohne „ ‚den Wölfen entgegentreten‘, die die Herde verschlingen wollen: der Gleichgültigkeit, dem ethischen Relativismus, falschen Ideologien oder dem Konsumdenken, welches den Wert der Dinge und Erfahrungen zerstört“[32], und anderem, was wirklich verletzt und echte Gewalt darstellt.

Ich denke, dass diese Botschaft heute genauso aktuell ist, wie sie es war, als der kleine Johannes (unser zukünftiger Vater und Lehrer, Don Bosco) sie erhielt.

Das „Nicht mit Schlägen“ ist ein „absolutes Nein“. Es ist sehr eindeutig, und es ist die einzige Korrektur – man könnte fast von einer Zurechtweisung sprechen – die Johannes Bosco im Traum empfängt. Vor allen Dingen ist es für uns eine Gewissheit, eine große Gewissheit, dass der Weg des Zwangs und der Gewalt nicht auf die rechte Bahn des Charismas führt. Die „Schläge“ des Traums können heute tausend Formen annehmen. In der Tat habe ich mich damit beschäftigt, viele der mehr oder weniger subtilen Formen von Gewalt, die uns umgeben und die aus unserem erzieherisch-pastoralen Horizont und aus unserem Charisma insgesamt verbannt werden müssen, zu sichten, zu reflektieren und zu spezifizieren.

„Nicht mit Schlägen“ bedeutet, bewusst und ohne Nachsicht gegen jede Art Gewalt vorzugehen:

–     physische Gewalt, die den Körper verletzt (stoßen, treten, ohrfeigen, in die Enge treiben oder festhalten, mit Gegenständen werfen).

–     seelische und verbale Gewalt, die das Selbstwertgefühl verletzt. Jene Gewalt, die beleidigt und ausschließt, die isoliert, die überwacht und kontrolliert ohne Respekt. Jene Gewalt und jener seelische Missbrauch, die dafür sorgen, dass einige Menschen das Gefühl haben, nie genug von sich selbst herzugeben; jene Gewalt, die dafür sorgt, dass Menschen sich immer als anders oder falsch, ja sogar als unreif betrachten, weil sie gedacht haben, was man ehrlicherweise denkt; jene Gewalt und jener Missbrauch seitens derjenigen, die sich nur für den anderen interessieren, wenn sie davon profitieren wollen.

–     emotionale und sexuelle Gewalt, die den Körper, das Herz und die innersten Gefühle verletzt; die unauslöschliche Zeichen von Schmerz hinterlässt und die sich verbal oder schriftlich äußern kann, mit Blicken oder Zeichen, die Obszönität, Belästigung, Übergriffigkeit und sogar Missbrauch bedeuten.

–     ökonomische Gewalt, bei der dein Geld oder Geld, das für gute Zwecke dient, einbehalten, veruntreut oder gestohlen wird.

–     Gewalt gibt es auch in Form von Cyber-Gewalt, „Cybermobbing“ mit Belästigungen über das Internet, Websites, Blogs, mit Textnachrichten oder E-Mails oder Videos.

–     Gewalt, die aus sozialer Ausgrenzung entsteht, bei der Menschen, Studierende, Heranwachsende ausgegrenzt oder öffentlich gedemütigt werden, ohne jeden Respekt.

Gewalt, die durch Misshandlungen gekennzeichnet ist, durch Verben wie bedrohen, manipulieren, abwerten, zurückweisen, leugnen, in Frage stellen, demütigen, beleidigen, disqualifizieren, verspotten, sich gleichgültig zeigen.

Zweifelsohne verfügen wir mit unserem Charisma über das Gegenmittel für diese Situationen, die dem Leben Schaden zufügen. Es handelt sich um den pastoralen Genius Don Boscos: Wenn „wir andererseits daran denken, daß Maria im ersten Traum des kleinen Johannes Bosco zum ersten Mal jenes Apostolat [„genio apostolico“] bezeichnete, das uns innerhalb der Kirche charakterisiert, so fordere ich Euch auf, unsere Überlegungen auf das geistige Konzept unserer einzigartigen Seelsorge zu konzentrieren – auf die Pädagogik der Vorsorge».[33]

3.7.      SIE, die Dame: Lehrmeisterin und Mutter

Die Frau des Traums stellt sich als Lehrmeisterin und Mutter vor. Sie ist beider Mutter, des erhabenen Herrn des Traumes und des kleinen Johannes; eine Mutter – erlaubt mir die Paraphrase –- die ihn an der Hand nimmt und sagt:

Schau“: Wie wichtig ist es für uns, schauen zu können, und wie schlecht ist es, wenn es uns nicht gelingt, die jungen Menschen in ihrer Realität zu „sehen“, so, wie sie sind; wenn es uns nicht gelingt, das zu sehen, was in ihnen am authentischsten ist, und das, was äußerst tragisch und schmerzhaft in ihnen und in ihrem Leben gegenwärtig ist. „Schau“ ist das erste Wort der „Frau von majestätischer Erscheinung, in einen Mantel gekleidet, der überall leuchtete, als sei jeder Teil davon ein heller Stern” (EO, S. 47).

Ohne dass ich ein einzelnes Verb „überinterpretieren“ möchte, scheint es mir ein „präventives“ Zeichen für den Weg zu sein, den unser Vater in der Tat gehen sollte und der vor allem aus Erfahrungen besteht. Denken wir daran, wie sehr die Augen im Leben Don Boscos zählen … Was er bei seiner Ankunft in Turin sieht – oder besser gesagt, was Don Cafasso ihm zu sehen hilft – lässt unsere Sendung entstehen. Es geht darum, wie er jeden Jungen sieht (denken wir an die ersten Begegnungen in den von ihm geschriebenen Biografien): Dort gibt es ein Incipit, das wie ein Wunder ist, dem der ganze Rest folgt – bei Savio wie bei Magone, bei Cagliero wie bei Rua … Im Museum in Chieri gibt es eine Skulptur, welche die Augen und die Blicke Don Boscos darstellt und 1988 neben seinem Altar aufgestellt wurde. Es gibt etwas Einmaliges in seinem Blick und das „Schau“, das die Frau sagt, ist nicht weniger neu- und einzigartig.

Gerade im Umfeld von „schauen“ lässt sich ein ausdrücklicher Hinweis auf ein Wort finden, das für uns grundlegend ist: Assistenz. Wir wissen alle, wie wesentlich es ist.

Meine Aufmerksamkeit entfernt sich jedoch nicht weit von der Traumwiese in Becchi, weil der kleine Johannes nämlich durch Erfahrung lernt, ohne dass er sich dessen bewusst ist: Er lernt vom Leben, besonders in Momenten extremer Schwierigkeiten und Mühen.

Die Aufforderung: „Schau“ bringt den Menschen dahin, nicht sich selbst im Zentrum zu sehen, sondern das zu erfassen, was über den eigenen Horizont hinausgeht und die eigene Vorstellungskraft übersteigt und was zu Einladung, Herausforderung, Provokation, Anruf und Führung wird. Denn es erfordert eine vollkommene und umfassende Anteilnahme, mit der Johannes sich zum Wohle der Jungen aufopfert. Von hier aus begreift man auch die Bedeutung des Umfeldes in der gesamten salesianischen Pädagogik.

Nichts wird von der unverzichtbaren Sorge um die Innerlichkeit und die Stille weggenommen. Wir sind aufgerufen, den Blick zu heben, sowohl, wenn wir ihn auf des Geheimnis Gottes richten, als auch, wenn wir an dem Mann vorbeigehen, der „von Jerusalem nach Jericho hinab[ging] und […] von Räubern überfallen“ (Lk 10,30) wurde. Das hat den Menschen Don Bosco immer geprägt, von seiner Kindheit bis zu seinem Lebensende.

Lerne“: demütig, stark und widerstandsfähig zu werden, denn es braucht Schlichtheit angesichts von so viel Arroganz; Stärke angesichts so vieler Dinge, die im Leben bewältigt werden müssen, und jene Widerstandsfähigkeit, die Resilienz ist oder auch die Fähigkeit, sich nicht entmutigen zu lassen, nicht die „Arme hängen zu lassen“, wenn man nicht in der Lage zu sein scheint, etwas tun zu können.

Interessanterweise sind es die Ereignisse (also die Erfahrung), die die Vorsehung (sinnbildlich durch Maria) auf Johannes‘ Weg stellt, diesen „milde“ (demütig, stark, widerstandsfähig) machen. Zum Beispiel ist einige Zeit nach dem Traum seine Mutter im Februar 1828 gezwungen, ihn (mit gerade mal zwölf Jahren) aufgrund von Streitigkeiten mit Antonio von zuhause wegzuschicken. Johannes erreicht abends den Hof der Moglia, wo er mehr aus Mitleid als aufgrund eines wirklichen Bedarfs aufgenommen wird – im Winter sucht man keine Knechte. Der Hof ist auf jeden Fall ausreichend weit entfernt, aber gleichzeitig ganz in der Nähe von Moncucco, wo es einen der besten Pfarrer des Bistums Turin gibt, Don Francesco Cottino (über den in unserer salesianischen Literatur bisher wenig zu finden ist). Johannes trifft sich jeden Sonntag mit ihm. Es ist die erste Begegnung auf Augenhöhe, die erste Begegnung mit einem echten Wegbegleiter für Johannes. So wird ein Abschnitt, der lediglich traurig und dunkel hätte sein können, zu einer äußerst wichtigen Chance für seinen Weg. Wir wissen, dass sein Onkel Michele ihn dann am 3. November 1829 zu seiner Familie nach Becchi zurückbringt. Am 5. November wird Johannes dann Don Calosso auf dem Rückweg von Buttigliera treffen.

Ich halte es deshalb für sehr wichtig, die unglaubliche Lenkung und Begleitung durch die Vorsehung stark zu betonen. Johannes entspricht ihr und bringt sich frei ein. Dennoch sind Ereignisse und Personen, die zum richtigen Zeitpunkt aufeinander folgen, die Baumeister dieses „demütig, stark und widerstandsfähig“, das für seine Sendung unerlässlich ist, die unterdessen immer mehr in ihm heranreift.

Es ist also offensichtlich ein Primat der Gnade, der zuallererst für uns gilt, wenn wir bereit sind, uns bilden zu lassen, und der so fruchtbar für die Sendung wird. Bis zu dem Punkt, an dem es keine Grenzen oder Schwierigkeiten mehr gibt, die das Wachstum hin zu jener Fülle des Lebens, zur Heiligkeit, verhindern, ganz gleich in welchem Kontext wir stehen, und sei er noch so herausfordernd.

Natürlich entbindet uns das alles nicht davon, uns mit aller Kraft für die Verbesserung der Verhältnisse und die Überwindung von Ungerechtigkeiten einzusetzen. Don Bosco „verbündet“ sich also mit der Vorsehung, ohne seine eigenen Bemühungen, die Begegnungen, die Ausarbeitung von Arbeitsverträgen zum Schutz der jungen Lehrlinge, die im ersten Oratorium zu Gast waren, einzuschränken. Vor allem nimmt Don Bosco ihnen nicht den Himmel weg! Er weist darauf hin, dass es immer „ein mehr“ gibt, ein höheres Ziel, das alle erreichen können.

Eine ähnliche Lektion erteilt die heilige Mutter Teresa von Kalkutta mit ihrer „nutzlosen“ Hingabe an die Sterbenden der Stadt. Auf einem Plakat, das sie zu Beginn ihres neuen Lebens für die Ärmsten der Ärmsten in ihrem Zimmer aufgehängt hatte, hatte sie mit eigener Hand schwarz auf weiß die folgenden Worte geschrieben: „Da mihi animas, cetera tolle“.

Und seid geduldig“, das heißt, lassen wir uns Zeit für alles und lassen wir Gott Gott sein.

4. EIN TRAUM, DER TRÄUMEN LÄSST

Liebe Mitglieder der Don-Bosco-Familie, ich möchte meinen Kommentar zum Jahresleitgedanken nicht abschließen, ohne die vielen Träume zu nennen, die ich für die jungen Menschen und für uns im Herzen trage. Sie sind mit dem Wunsch gleichzusetzen, in der charismatischen Treue weiter zu wachsen; oder mit der Sehnsucht, dass wir uns durch Veränderungen, die sich für uns als schwierig darstellen, gelassen provozieren lassen. Oder Widerstände, die das lebendige Feuer unseres Charismas ersticken könnten, treiben uns dazu an, den Traum Don Boscos zu verwirklichen, jedoch zweihundert Jahre später!

Ich teile sie mit Euch in der Hoffnung, dass, wer auch immer und wo auch immer in der weiten, salesianischen Welt meinen Kommentar liest, er oder sie spüren möge, dass etwas von dem hier Geschriebenen für ihn oder sie bestimmt ist. Dies scheinen mir einige konkrete Elemente für die Verwirklichung des Traums mit neun Jahren zu sein:

  1. Don Bosco hat uns im Laufe seines Lebens gezeigt, dass nur authentische Beziehungen uns bergen und verwandeln. Papst Franziskus sagt uns dasselbe: „Es reicht also nicht aus, Strukturen zu haben, wenn sich in ihnen keine authentischen Beziehungen entwickeln; es ist die Qualität dieser Beziehung, die evangelisiert“.[34] Deswegen äußere ich den Wunsch, dass jedes Haus unserer salesianischen Familie weltweit ein wahrhaft erzieherischer Raum sei oder werde, ein Raum respektvoller Beziehungen, ein Raum, der hilft, auf gesunde Art und Weise zu wachsen. Darin können und müssen wir den Unterschied machen, denn authentische Beziehungen stehen am Ursprung unseres Charismas, am Ursprung der Begegnung mit Bartolomeo Garelli, am Ursprung von Don Boscos eigener Berufung.
  2. Jede Entscheidung Don Boscos war Teil eines größeren Plans: Gottes Plan für ihn. Daher war keine Entscheidung oberflächlich oder unbedeutend für Don Bosco. Sein Traum war keine Anekdote aus seinem Leben oder einfach ein Ereignis, sondern eine Berufungsantwort, eine Entscheidung, ein Weg, ein Lebensprogramm, das allmählich, so wie es gelebt wurde, Form annahm. Ich träume daher davon, dass jeder Salesianer, jedes Mitglied der Don-Bosco-Familie aufgrund seiner Berufung und seiner Lebenswahl ein tiefes Unbehagen spürt und den Schmerz am eigenen Leib erfährt, wenn so viele Familien und so viele junge Menschen mühevoll und erschöpft tagtäglich ums Überleben oder für ein Leben mit ein wenig mehr Würde kämpfen. Möge niemand von uns sich darauf beschränken, passiver oder gleichgültiger Zuschauer angesichts des Schmerzes und der Ängste so vieler junger Menschen zu sein.
  3. „Der erste Traum, der schöpferische Traum Gottes, unseres Vaters, geht dem Leben all seiner Kinder voraus und begleitet es“.[35] Unser Gott hat einen Traum für jeden von uns, für jeden und jede unserer jungen Menschen, einen für uns von Gott selbst „gezeichneten“ Plan. Das Geheimnis des so sehr ersehnten Glücks eines jeden Menschen liegt gerade darin, die Übereinstimmung und das Zusammentreffen zwischen diesen beiden Träumen zu entdecken: unserem Traum und Gottes Traum. Wir müssen also verstehen, was Gottes Traum für jeden von uns bedeutet, und uns bewusst werden, dass der Herr uns das Leben geschenkt hat, weil er uns liebt, über das hinaus, was wir sind, einschließlich unserer Grenzen. Wir müssen also glauben, dass unser Gott in jedem und jeder von uns große Dinge verwirklichen will! Wir sind alle überaus kostbar und wertvoll, weil ohne einen jeden und eine jede von uns der Welt und der Kirche etwas fehlen würde. Es gibt nämlich Menschen, die nur ich lieben kann, Worte, die nur ich sagen kann, Momente, die nur ich teilen kann.
  4. Ohne Träume gibt es kein Leben. Für die Menschen, für uns alle bedeutet träumen, sich selbst zu entwerfen, ein Ideal und einen Lebenssinn zu haben. Die schlimmste Armut für junge Menschen besteht darin, sie am Träumen zu hindern, ihnen die eigenen Träume zu verbieten oder ihnen erfundene Träume aufzuzwingen. Jeder und jede von uns ist ein Traum Gottes. Es ist wichtig zu entdecken, welches mein Traum ist, welchen Traum Gott für mich hat. Wir müssen versuchen, diesen zu entwickeln, ihn zu verwirklichen, weil es um unser Glück und um das Glück unserer Brüder und Schwestern geht.
    Erinnern wir uns daran, wie Don Bosco gerührt vor Freude weinte, als er am 16. Mai 1887 seinen Traum, der sein Leben, seine Berufung und seine Sendung bestimmte, „verwirklicht sah“.
  5. Gott bewirkt große Dinge mit „einfachen Mitteln“ und spricht zu uns auf vielerlei Arten, auch tief im Herzen, durch unsere Gefühle, die uns bewegen, durch das Wort Gottes, das mit Glauben angenommen, mit Geduld vertieft, mit Liebe verinnerlicht und mit Vertrauen befolgt wird. Helfen wir uns selbst und unseren Jungen und Mädchen, den jungen Menschen, auf das eigene Herz zu hören, die inneren Bewegungen zu entziffern, dem, was in ihnen und in uns wirkt, eine Stimme zu geben, zu erkennen, welche Zeichen oder „Träume“ die Stimme Gottes verraten und welche hingegen das Ergebnis falscher Entscheidungen sind.
  6. „Die Mühen und die Zerbrechlichkeit junger Menschen helfen uns, besser zu werden. Ihre Fragen fordern uns heraus, ihre Zweifel rufen uns auf, uns nach der Qualität unseres Glaubens zu fragen. Auch ihre Kritik ist notwendig für uns, denn nicht selten hören wir durch sie die Stimme des Herrn, der uns zur Umkehr des Herzens und Erneuerung der Strukturen ruft“.[36] Ein authentischer Erzieher versteht mit Klugheit und Geduld das zur Entfaltung zu bringen, was jeder junge Mensch in sich trägt, und er wird sich mit aller Kraft bemühen, eine Beziehung zum Jugendlichen aufzubauen.[37] Ich träume und wünsche mir, jeden Tag in jedem salesianischen Haus weltweit Salesianer und Laien zu treffen, die an das Wunder glauben, das durch die Kraft der salesianischen Erziehung und Evangelisierung verwirklicht werden kann.
  7. Mensch sein heißt „Mensch werden“, sich verwirklichen, sich über die Ergebnisse freuen, die Frucht geduldiger Prozesse sind, mit denen Gott in unser Leben hineinwirkt und eingreift. Ich wünsche so sehr, dass unsere erzieherische Leidenschaft derjenigen Don Boscos ähnelt, der „Vater der salesianischen Liebenswürdigkeit“ war, damit die Jungen und Mädchen in all unseren Niederlassungen weltweit nicht nur ausgebildete Fachkräfte antreffen können, sondern wahrhafte Erzieher und Erzieherinnen, Geschwister, Freunde und Freundinnen, Väter und Mütter.
  8. Don Bosco, der „Priester der Straße“ ante litteram, verausgabte sich buchstäblich bei diesem Vorhaben. Die Salesianer (und alle, die sich von Don Bosco inspirieren lassen) sind so „die Kinder eines Träumers der Zukunft“, aber einer Zukunft, die im Vertrauen auf Gott erbaut wird, im täglichen Eintauchen und Wirken im Leben der jungen Menschen, zwischen den Mühen und Unsicherheiten eines jeden Tages.[38] Deswegen ist die Begegnung mit dem Herrn des Lebens, die Hilfe für jeden jungen Menschen, seinen eigenen Traum, den Traum Gottes für jeden und jede zu entdecken und ihn oder sie bei der Verwirklichung zu unterstützen, das wertvollste Geschenk, das wir den jungen Menschen anbieten können. Wie sehr wünsche ich mir, dass sich das in all unseren Häusern verwirklicht.
  9. Während das Herz Don Boscos in jedem Augenblick schlug, sind wir, die wir „überzeugt sind, dass jeder junge Mensch in seinem Herzen die Sehnsucht nach Gott eingeschrieben hat, gerufen, Gelegenheiten zur Begegnung mit Jesus, der Quelle des Lebens und der Freude für jeden jungen Menschen anzubieten“.[39] Don Bosco würde nicht tolerieren, dass in seinen Häusern seine Söhne und Töchter den Jungen und Mädchen, den Heranwachsenden und jungen Menschen die Begegnung mit Jesus nicht anbieten – auch in der Freiheit, mit der wir heute in den unterschiedlichen Kontexten zum Glauben erziehen. Auch heute sind wir gerufen, ihn bekannt zu machen, zu entdecken, wie Er jeden Menschen fasziniert und den jungen Menschen aus anderen Religionen zu helfen, gute Gläubige ausgehend von ihrem Glauben und ihren Idealen zu sein. Ich träume davon, dass dies in allen salesianischen Häusern weltweit Wirklichkeit wird.
  10. „Das salesianische Werk muss überall auf die ärmsten und bedürftigsten jungen Menschen in der Gesellschaft abzielen und mit ihnen die tausend Mittel einsetzen, die die zuvorkommende Nächstenliebe inspirieren. Don Bosco weinte, weil er so viele Jugendliche sah, die verdorben und ungläubig aufwuchsen. Er hätte gerne seine Acht gebende, ermahnende, belehrende, mit einem Wort zuvorkommende Fürsorge auf alle jungen Menschen der Welt ausdehnen können wollen […]. Deswegen bevorzugte er bei der Annahme von neuen Gründungen Orte, an denen die Jugend durch Vernachlässigung verdorben war“.[40] Ich träume wirklich davon, eines Tages die gesamte salesianische Kongregation mit derselben Hingabe zu sehen, die Don Bosco gegenüber seinen ärmsten Jungen hatte. Ich träume davon, jeden meiner Mitbrüder dabei zu sehen, wie er mit Freude das eigene Leben zugunsten der Geringsten hingibt. In vielen Fällen ist es bereits so. Ich träume, dass jedes unserer Häuser mit dem „Geruch des Schafes“ angefüllt ist, auf den Papst Franziskus heute bei jedem anspielt, der zu einer apostolischen Sendung berufen ist. Ich wünsche es auch für die ganze Don-Bosco-Familie: Niemand darf sich von diesem Ruf ausgeschlossen fühlen.
  11. „Das Leben des Johannes Bosco vor seiner Priesterweihe ist in der Tat ein Meisterstück für einen Berufungsweg“.[41] Papst Franziskus sagt den jungen Menschen zur Berufung: „Ich bin eine Mission auf dieser Erde, und ihretwegen bin ich auf dieser Welt. Folglich muss man bedenken: jede Pastoral ist Berufungspastoral, jede Ausbildung ist Berufung und jede Spiritualität hat mit Berufung zu tun“.[42] So wie es Don Bosco immer tat, betrachte ich es als unsere Aufgabe, jedem jungen Menschen, in jedem unserer Angebote zu helfen, das zu entdecken, was Gott von ihm erwartet, Ideale zu haben, die ihn „hoch hinausfliegen“ lassen, das Beste von sich zu geben und sich zu wünschen, das Leben als Hingabe und Geschenk zu leben.
  12. Maria zeichnet sich durch ihr Sein als Mutter und Beschützerin aus. Als sie sehr jung die Botschaft des Engels empfing, verzichtete sie nicht darauf, Fragen zu stellen. Als sie diese angenommen und „Ja“ gesagt hatte, setzte sie alles ein und riskierte alles. Als ihre Cousine sie brauchte, legte sie ihre eigenen Pläne und Bedürfnisse zur Seite und brach unverzüglich auf. Als der Schmerz ihres Sohnes sie traf, blieb sie eine starke Frau, die ihn stützte und bis zum Ende begleitete. Sie wacht als Mutter und Lehrmeisterin über die Welt der jungen Menschen, die sie suchen, trotz des vielen Lärms und der Dunkelheit entlang des Weges; sie spricht in der Stille und hält das Licht der Hoffnung am Brennen.[43] Ich träume wirklich davon, dass wir in Treue zu Don Bosco unsere Jungen und Mädchen, unsere jungen Menschen sich in diese Mutter verlieben lassen, nicht weniger als in ihn, weil „die Muttergottes […] alles für Don Bosco [ist]; und der Salesianer, der den Geist des Gründers erwerben will, muss ihn in dieser Verehrung nachahmen“.[44]

5. VOM TRAUM MIT NEUN JAHREN ZUM ALTAR DER TRÄNEN

Ich bin am Ende dieses Kommentars angekommen. Ich könnte noch mehr hinzufügen, aber ich glaube, dass das Geschriebene das Herz eines jeden und einer jeden erreichen kann. Das wäre eine ausgezeichnete Nachricht.

Ich will Euch schlicht einladen, Euch eine Minute Zeit zur Verinnerlichung und Betrachtung dieses Textes aus den Memorie Biografiche zu nehmen, der in wenigen Zeilen beschreibt, was Don Bosco gefühlt hat, als er zahlreiche Tränen vor dem Mariahilf-Altar in der Basilika Sacro Cuore in Rom vergoss, wenige Tage nach deren Weihe.

In diesem Augenblick sah und hörte Don Bosco die Stimme seiner Mutter Margareta, die Bemerkungen seiner Brüder und der Großmutter, die den Traum bewerteten und ihn sogar in Frage stellten. Genau in diesem Moment, zweiundsechzig Jahre später, verstand er alles, wie es ihm die Lehrmeisterin angekündigt hatte.

Diese Erzählung bewegt mich jedes Mal. Daher lade ich Euch ein, sie zu lesen und persönlich zu meditieren. Ein weiteres Mal.

„Nicht weniger als fünfzehnmal unterbrach er die Messfeier aufgrund starker Ergriffenheit und vergoss Tränen. Viglietti, der ihm assistierte, musste ihn von Zeit zu Zeit ablenken, damit er weiterfeiern konnte.

Als er ihn nach dem Grund für diese große Erregung fragte, antwortete er [= Don Bosco]: – Ich hatte ganz lebendig die Szene vor Augen, als ich ungefähr mit zehn Jahren von der Kongregation träumte. Ich sah tatsächlich die Mutter und die Brüder und hörte sie nach dem Traum fragen …

Damals hatte die Muttergottes ihm gesagt: ‚Zu seiner Zeit wirst du alles verstehen‘. Zweiundsechzig Jahre mit Mühen, Opfern und Kämpfen waren seit jenem Tag vergangen, als ein unerwarteter Geistesblitz ihm in der Errichtung der Kirche S. Cuore in Rom die Krönung seiner Sendung offenbarte, die zu Beginn seines Lebens geheimnisvolle Schatten warf“.[45]

Ich glaube wahrhaftig, dass Maria, die Helferin der Christen, auch heute weiterhin eine echte Mutter und Lehrmeisterin für unsere ganze Familie ist. Ich bin überzeugt, dass die prophetischen Worte des Herrn Jesus Christus und Mariens im ersten Traum weiterhin Realität an allen Orten sind, wo das Charisma unseres Vaters als ein Geschenk des Heiligen Geistes Wurzeln geschlagen hat. Zudem bin ich mir sicher, dass in jedem Haus über unsere Mühen und Anstrengungen hinaus angewendet werden kann, was Don Bosco über das Heiligtum in Valdocco sagte:

„Jeder Stein ist eine Gnade Mariens, der Helferin der Christen; wir haben nichts ohne Ihr direktes Eingreifen getan; Sie hat sich ihr Haus gebaut und in unseren Augen ist es ein Wunder“.

Sie, die Unbefleckte und Helferin, führe uns weiterhin alle an der Hand. Amen.

Turin-Valdocco, den 8. Dezember 2023

Don Ángel Kard. Fernández Artime, SDB
Generaloberer


[1] F. Motto, Il sogno dei nove anni. Redazione, storia, criteri di lettura, in: «Note di pastorale giovanile» 5 (2020), S. 6.

[2] P. Stella, Don Bosco nella storia della religiosità cattolica. 1. Vita e opere, Rom: LAS 1979, S. 31f.

[3] P. Chávez V., Wie Don Bosco nehmen wir die jungen Menschen als unseren Lebensauftrag an, in: Amtsblatt des Generalrates der Salesianer Don Boscos, 92. Jg. (2012), Nr. 412, S. 37.

[4] F. Motto, Il sogno dei nove anni, a. a. O., S. 6.

[5] G. Bosco, Memorie dell’Oratorio di S. Francesco di Sales dal 1815 al 1855, in: Istituto Storico Salesiano, Fonti salesiane 1. Don Bosco e la sua opera, Rom: LAS 2014, S. 1176. Hier zitiert nach: J. Bosco, Erinnerungen an das Oratorium des hl. Franz von Sales von 1815 bis 1855. Einführung und Anmerkungen von Antonio da Silva Ferreira, hg. v. Institut für Salesianische Spiritualität, München: Don Bosco 2001, S. 46. Im Folgenden zitiert als EO.

[6] F. Rinaldi, Lettera circolare, in: Amtsblatt des Obernrates, 5. Jg. (24. Oktober 1924), Nr. 26, S. 314 [der italienischen Ausgabe].

[7] G. Bosco, Memorie dell’oratorio di san Francesco di Sales dal 1815 al 1855, in: Istituto Storico Salesiano, (saggio introduttivo e note storiche a cura di A. da Silva Ferreira), „Fonti“, serie prima, 4, marzo 1991. Hier zitiert nach EO. Vgl. A. Bozzolo, Il sogno dei nove anni, 3.1 Struttura narrativa e movimento onirico in: A. Bozzolo (Hrsg.), I sogni di Don Bosco. Esperienza spirituale e sapienza educativa, Rom: LAS 2017, S. 235.

[8] A. d. Ü.: Dieser Teilsatz fehlt in der deutschen Ausgabe, aus der hier zitiert wird, findet sich aber in der folgenden Übersetzung: J. Bosco, Erinnerungen. Autobiographische Aufzeichnungen über die ersten 40 Jahre eines Lebens im Dienst an der Jugend, München: Don Bosco Verlag 1988, S. 7.

[9] R. Ziggiotti (hrsg. v. Marco Bay), Tenaci, audaci e amorevoli. Lettere circolari ai salesiani di don Renato Ziggiotti, Rom: LAS 2015, S. 575 [= 45. Jg. (1964), Nr. 235].

[10] Der Salesianerbruder Marco Bay war Professor an der Università Pontificia Salesiana (UPS) in Rom und ist aktuell Direktor des Salesianischen Zentralarchivs in Rom. Er hat mir großzügig seine Untersuchungen zur Verfügung gestellt, die er über die Verweise der vorhergehenden Generaloberen auf den Traum mit neun Jahren durchgeführt hat.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch Don Luis Timossi SDB vom Weiterbildungszentrum in Quito und Don Silvio Roggia SDB, Direktor der Gemeinschaft des seligen Zefirino Namuncurá in Rom, für ihre Anmerkungen und Hinweise danken.

[11] P. Albera, Direzione Generale delle Opere Salesiane, Lettere Circolari di don Paolo Albera ai salesiani, Turin 1965, S. 123 [31. Mai 1913]; vgl. auch S. 315 [20. April 1919] und S. 339 [6. April 1920].

[12] F. Rinaldi, Lettera circolare, in: Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 5. Jg. (24. Oktober 1924), Nr. 26, S. 312-317 [der italienischen Ausgabe].

[13] Ebd.

[14] La commemorazione di un „sogno“ [Die Gedenkfeier eines „Traums“], in: BS, Anno XLIX, 6 (Juni 1925), S. 147.

[15] P. Ricaldone, Strenna del 1935. Fedeltà a Don Bosco santo [Jahresleitgedanke 1935. Treue zum hl. Don Bosco], in: Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 17. Jg. (24. März 1936), Nr. 74, S. 16 [der italienischen Ausgabe].

[16] P. Ricaldone, S. Giovanni Bosco e le vocazioni [Der heilige Johannes Bosco und die Berufungen] in: Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 17. Jg. (24. November 1936), Nr. 78, S. 9 [der italienischen Ausgabe].

[17] R. Ziggiotti, Tenaci, audaci e amorevoli, a. a. O.,S. 129 [= Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 35. Jg. (1954), Nr. 181, S. 3 (der italienischen Ausgabe)].

[18] R. Ziggiotti, Tenaci, audaci e amorevoli, a. a. O.,S. 264 [= Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 39. Jg. (1958), Nr. 201, S. 6 (der italienischen Ausgabe)].

[19] L. Ricceri, Il rinnovamento salesiano passa per la spiritualità missionaria, Rom 25. Januar 1976, in: La parola del Rettor Maggiore. Conferenze, Omelie Buone notti, Bd. 9, Ispettoria Centrale Salesiana, Turin 1978, S. 27f.

[20] Ebd.,S. 28.

[21] E. Viganò, Lettere circolari di don Egidio Viganò ai Salesiani (Rom: Direzione Generale Opere Don Bosco, 1996), S. 10 [= Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 59. Jg. (1978), Nr. 289, S. 10f.].

[22] MB VII, 291. Zitiert in: J. E. Vecchi, Educatori appassionati esperti e consacrati per i giovani. Lettere circolari ai Salesiani di don Juan E. Vecchi. Introduzione, parole chiave e indici a cura di Marco Bay, Rom: LAS 2013, S. 381 [= Amtsblatt des Generalrates der Salesianer Don Boscos, (1998), Nr. 365]. A. d. Ü.: Eigene Übersetzung.

[23] P. Stella, Don Bosco nella storia della religiosità cattolica,Bd. II, S. 32. Zitiert in: J. E. VECCHI, Educatori appassionati esperti e consacrati per i giovani, a. a. O., S.381.

[24] P. Chávez Villanueva, Lettere circolari ai salesiani (2002–2014). Introduzione e indici a cura di Marco Bay. Presentazione di don Ángel Fernández Artime, Rom: LAS 2021, S. 450 [= Amtsblatt des Generalrates der Salesianer Don Boscos, 87. Jg. (2006), Nr. 392, S. 25f.].

[25] F. Motto, Il sogno dei nove anni, a. a. O., S. 8.

[26] Ebd., S. 10.

[27] P. Ricaldone, Il primo centenario dell’opera salesiana [Das erste Jahrhundert des salesianischen Werkes], in: Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 20. Jg. (1939), Nr. 96, S. 3 [der italienischen Ausgabe].

[28] Vgl. A. Bozzolo (Hrsg.), Il Sogno dei nove anni. Questioni ermeneutiche e lettura teologica, Rom: LAS 2017, S. 264.

[29] E. Viganò, Lettere circolari di don Egidio Viganò ai Salesiani (Rom: Direzione Generale Opere Don Bosco, 1996), Bd. 1, S. 10 [= Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 59. Jg. (1978), Nr. 289, S. 10f.].

[30] R. Ziggiotti, Tenaci, audaci e amorevoli, a. a. O.,S. 264 [= Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 39. Jg. (1958), Nr. 201, S. 6 (der italienischen Ausgabe)].

[31] F. Motto, Il sogno dei nove anni, a. a. O.,S. 7.

[32] P. Chávez, «Wie Don Bosco nehmen wir die jungen Menschen als unseren Lebensauftrag an.». Erstes Jahr der Vorbereitung auf die Zweihundertjahrfeier seiner Geburt. Jahresleitgedanke 2012, in: Amtsblatt des Generalrates der Salesianer Don Boscos, 92. Jg. (2012), Nr. 412, S. 1-41; hier S. 36.

[33] E. Viganò, Lettere circolari di don Egidio Viganò ai Salesiani (Rom: Direzione Generale Opere Don Bosco, 1996), Bd. 1, S. 31 [= Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 59. Jg. (1978), Nr. 290, S. 3].

[34] XV. Ordentliche Generalversammlung, Die Jugendlichen, der Glaube und die Erkenntnis der Berufung. Abschlussdokument. 27. Oktober 2018, Vatikanstadt, Nr. 128.

[35] Papst Franziskus, Nachsynodales Schreiben Christus vivit an die jungen Menschen und an das ganze Volk Gottes, 25. März 2019, Nr. 194.

[36] XV. Ordentliche Generalversammlung, Die Jugendlichen, der Glaube und die Erkenntnis der Berufung. Abschlussdokument. 27. Oktober 2018, Vatikanstadt, Nr. 116.

[37] Vgl. 23. GK, Nr. 99.

[38] Vgl. F. Motto, Il sogno dei nove anni, a. a. O.,S. 14.

[39] R. Sala, Il sogno dei nove anni. Redazione, storia, criteri di lettura, in: „Note di pastorale giovanile“ 5 (2020), S. 21.

[40] F. Rinaldi, Il sac. Filippo Rinaldi ai Cooperatori ed alle Cooperatrici Salesiane. Un’altra data memoranda, in: BS Anno XLIX, 1 (Januar 1925), S. 6.

[41] E. Viganò, Lettere circolari di don Egidio Viganò ai Salesiani (Rom: Direzione Generale Opere Don Bosco, 1996), Bd. 2, S. 589 [= Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 66. Jg. (1985), Nr. 313, S. 7].

[42] Papst Franziskus, Nachsynodales Schreiben Christus vivit an die jungen Menschen und an das ganze Volk Gottes, 25. März 2019, Nr. 194.

[43] Vgl. ebd., Nr. 43-48, 298.

[44] R. Ziggiotti, Tenaci, audaci e amorevoli, a. a. O.,S. 264 [= Amtsblatt des Obernrates der Salesianer Don Boscos, 39. Jg. (1958), Nr. 201, S. 6 (der italienischen Ausgabe)].

[45] MB XVIII, 341 [A. d. Ü.: eigene Übersetzung].




Ein Jahr der Träume von oben

Liebe Freundinnen und Freunde, wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Jahr, 2024, einem ganz besonderen Jahr, denn wir begehen den zweihundertsten Jahrestag des Traums Don Boscos im Alter von 9 Jahren. Dieser Traum war viel mehr als eine bezaubernde Episode eines 9-jährigen Jungen; er war wie ein Visionstraum und eine Vorahnung dessen, was er im Laufe seines Lebens tun sollte.

62 Jahre später, als er seine erste und letzte Messe in der zwei Tage zuvor geweihten Herz-Jesu-Basilika in Rom feierte, brach Don Bosco mehr als 15 Mal in Tränen aus, weil er wie in einem Film in rascher Abfolge alle Szenen seines Lebens ablaufen sah und erkannte, dass er immer von der göttlichen Vorsehung geleitet und insbesondere von der Hand der Muttergottes, der Helferin der Christen, geführt worden war, so dass er sagen konnte: „Sie hat alles getan“.

Jener Silvesterabend von 1862
Dieses Gedenken bringt mich dazu, an einen bedeutenden Silvesterabend im Leben Don Boscos zu denken. Es war der erste Januar 1862.
In den Biographischen Memoiren wird berichtet, dass Don Bosco, der bis zum Vortag krank war, allen Bewohnern des Oratoriums, ob jung oder alt, eine wichtige Nachricht zu überbringen hatte. „Es ist unmöglich, die Erregung zu beschreiben, die durch Don Boscos Versprechen ausgelöst wurde und die in der Zwischenzeit alle Jugendlichen in Aufregung versetzte. Mit welcher Ungeduld verbrachten sie die Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar und den folgenden Tag! Mit welcher Ungeduld warteten sie auf den Abend, um zu hören, was der gute Vater ihnen sagen würde!“, erzählt Don Lemoyne. „Schließlich, nach den Gebeten, warteten die jungen Männer in tiefem Schweigen auf Don Bosco, der seinen Stuhl erhob und das Geheimnis lüftete und sagte: – Die Strenna (Glückwunschgabe), die ich euch gebe, gehört nicht mir. Was würdet ihr sagen, wenn die Muttergottes selbst käme, um zu jedem von euch ein Wort zu sagen? Wenn sie für jeden einen eigenen Zettel vorbereitet hätte, um ihm zu zeigen, was er am meisten braucht, oder was sie von ihm will? Nun, genau so ist es. Die Muttergottes gibt jedem ein Geschenk! Ich sehe, dass einige das wissen wollen und fragen werden: – Wie ist das geschehen? Hat die Muttergottes selbst die Zettel geschrieben? Hat die Muttergottes selbst zu Don Bosco gesprochen? Ist Don Bosco der Sekretär der Muttergottes? – Ich antworte: Ich sage euch nichts weiter als das. Ich habe die Zettel geschrieben, aber wie es dazu gekommen ist, kann ich nicht sagen, und es gibt auch niemanden, der es auf sich nehmen würde, mich zu befragen, denn das würde mich ins Unrecht setzen. Jeder soll sich damit begnügen zu wissen, dass der Zettel von der Muttergottes kam. Das ist etwas ganz Besonderes! Ich habe mehrere Jahre lang um diese Gnade gebeten, und ich habe sie endlich erhalten. Jeder von euch sollte daher diese Mitteilung so betrachten, als käme sie aus dem Mund der Jungfrau Maria selbst. Kommt also in mein Zimmer, und ich werde jedem von euch seinen eigenen Zettel geben“. Don Bosco konnte dies sagen, weil er selbst im Alter von neun Jahren von der Muttergottes die Botschaft erhalten hatte, die sein ganzes Leben prägen sollte.
In Fortsetzung der Erzählung jenes Abends begannen die Salesianer, an Don Boscos Zimmer vorbeizugehen, um ihren Zettel abzuholen. Viele enthüllen sie. Derjenige, der auf Don Bonetti ausgestellt war, der die tägliche Chronik schrieb, lautete: Vermehre die Zahl meiner Kinder.  Der gute Priester schrieb diese Empfehlung in seine Chronik und fügte hinzu: „In der Zwischenzeit, meine liebste Mutter, du, die du mir einen so lieben Rat gegeben hast, gib mir die Mittel, ihn in die Tat umzusetzen, und sorge dafür, dass ich diese schöne Zahl wirklich vergrößere, aber auch, dass ich in sie einbezogen werde“.
Auf dem Zettel für Don Rua hieß es: „Wende dich vertrauensvoll an mich, wenn eure Seele etwas braucht“.
Am nächsten Morgen drängten sich die jungen Männer an der Tür des Zimmers von Don Bosco, um ihren Zettel in Empfang zu nehmen. Ich kann mir gut vorstellen, wie Don Bosco es verstand, das Herz eines jeden Salesianers und eines jeden Jungen im Oratorium zu erreichen, nicht mit einer Erfindung, sondern mit der tiefen Überzeugung, was die Muttergottes für jeden von ihnen wollte, und gleichzeitig gelang es ihm, dies auf jene Art und Weise zu tun, in der Don Bosco immer ein wahrer Meister und ein wahres Genie war: Ich meine die Kunst der persönlichen Begegnung, des Dialogs, des Blicks, der tief ins Herz reicht.
Und als ich das las, fragte ich mich, ob das nicht auch bei uns passieren könnte. Wir haben an viele Menschen Grußkarten geschickt. Wenn Maria, die Allerheiligste, eine Karte an die salesianische Kongregation und an jeden von uns, an die schöne und große salesianische Familie, die Familie Don Boscos, geschickt hätte, was hätte sie wohl geschrieben?

Gehen wie Don Bosco
Es ist schön, sich das vorzustellen. Ich versichere euch, dass es in meiner Vorstellung so viele schöne Dinge gibt, die die Muttergottes von uns persönlich und als Familie Don Boscos verlangen könnte, die geboren wurde, um die Jungen und Mädchen der Welt – vor allem die ärmsten und bedürftigsten – in ihrem Prozess des Wachstums, der Reifung, der Verwandlung zu begleiten…
Das Geheimnis des neuen Jahres, das im Grunde das Weihnachtsgeheimnis weiterentwickelt, sagt uns: „Du bist nicht von der Vergangenheit abhängig. Du kannst heute neu beginnen, denn es ist etwas Neues in dir. Nimm das göttliche Kind in deine Arme, das dich mit all dem Neuen in Berührung bringt, das in deiner Seele vorhanden, echt und unversehrt ist. Beginne wieder mit den Kleinen, den Jungen. Vertraue auf das Neue in dir! Jeder Tag ist der erste Tag“.
Vielleicht würde es genügen, sich die Worte zu eigen zu machen, die Maria im Traum zu Johannes Bosco sagt: „Hier ist dein Feld, hier musst du arbeiten. Mache dich demütig, stark und widerstandsfähig“. Vielleicht hätte man einen „spirituelleren“ Rat erwartet, aber nur wer demütig ist, kann gütig sein, weil er die Gegenwart der anderen genießen kann. Die Demut ist das Tor der Liebe zu den Kleinen, den Hilflosen, den vom Leben Verwundeten.
Nur wer fest und stark ist, kann heute trotz allem hinter Jesus hergehen. Denn wir wollen, dass die Gefangenen frei sind und die Unterdrückten nicht mehr unterdrückt werden; und an welche Botschaft können die Armen noch glauben?
Es geht darum, auf die Stimme des brennenden Dornbuschs zu hören, die niemals vergehen wird: „Ich werde eure Ketten zerbrechen und euch erhobenen Hauptes gehen lassen“. Maria möchte, dass die Salesianer und ihre ganze Familie, die schöne Familie Don Boscos aller Zeiten, wie Don Bosco gehen. Und die beste Garantie dafür wird immer sein, Sie als die wahre Lehrerin zu haben, die vor allem Mutter ist. Eine wahre Gnade für unsere Familie.
So haben es die Generaloberen im Laufe unserer Geschichte ausgedrückt. Wie mein Vorgänger Don Ziggiotti: „Ich werde dir die Lehrerin geben, unter deren Aufsicht du weise werden kannst, und ohne die alle Weisheit zur Torheit wird“, so lautet das schicksalhafte Wort des ersten Traumes, ausgesprochen von der geheimnisvollen Gestalt, „dem Sohn derjenigen, die deine Mutter dir aufträgt, dreimal am Tag zu grüßen“. Es ist also Jesus, der Don Bosco seine Mutter als Lehrerin und unfehlbare Führerin auf dem schwierigen Weg seines ganzen Lebens gibt. Wie können wir für dieses außergewöhnliche Geschenk des Himmels an unsere Familie nur dankbar sein?“.
Ein frohes neues Jahr 2024 mit meinen besten Wünschen für jeden von Ihnen und Ihre Familien. Möge es ein wunderschönes Jahr für uns alle werden und ein Jahr des Friedens für diese immer noch leidende Menschheit.




Missionsappell 2024

Liebe Mitbrüder,
Ein brüderlicher Gruß aus unserem Mutterhaus in Valdocco.

Wie es seit einigen Jahren Tradition ist, ist der heutige 18. Dezember, der Tag, an dem Don Bosco 1859 unsere „Fromme Gesellschaft des heiligen Franz von Sales“ gründete – eine gute Gelegenheit, den missionarischen Geist als wesentliches Element des Charismas von Don Bosco zu betonen, indem ich Ihnen meinen jährlichen Missionsappell sende.

Im Jahr 2024 werden wir die zweite Hundertjahrfeier des neunjährigen Traums von Johannes Bosco begehen. Don Pietro Stella sagte, dass dieser Traum „die gesamte Lebens- und Denkweise Don Boscos bestimmt hat“. Wenn wir heute die Überlegungen zu Don Boscos neunjährigem Traum verfolgen, müssen wir sein Vertrauen in die Vorsehung betonen: „Zu gegebener Zeit wirst du alles verstehen“. Der Traum des Neunjährigen lehrt uns, dass Gott auf vielerlei Weise spricht, dass er mit „einfachen Mitteln“ Großes bewirkt, auch in den Tiefen unseres Herzens, durch die Gefühle, die uns bewegen. Auch heute bringt uns der Traum des Neunjährigen zum Träumen und lädt uns ein, darüber nachzudenken, wer wir sind und für wen wir sind.

Es ist interessant, dass Don Bosco in seinem fünften Missionstraum, der sich in der Nacht vom 9. auf den 10. April 1886 während des Besuchs bei seinen Mitbrüdern in Barcelona ereignete, eine tiefe Verbindung zu seinem Traum im Alter von neun Jahren sah. In seinem fünften und letzten Missionstraum sah er eine große Schar von Jungen, die ihm entgegenliefen und riefen: „Wir haben auf dich gewartet. Wir haben so lange auf dich gewartet. Jetzt bist du endlich da. Du bist mitten unter uns, und du wirst uns nicht entkommen!“ Die Hirtin, die eine riesige Herde von Lämmern anführte, half ihm, die Bedeutung zu verstehen, indem sie ihn fragte: „Erinnerst du dich an den Traum, den du hattest, als du zehn Jahre alt warst?“, und zog dann eine Linie von Valparaiso bis Peking, um die große Zahl junger Menschen zu verdeutlichen, die auf die Salesianer warten. In der Tat gibt es heute auf allen Kontinenten junge Menschen, die von „Wölfen“ in „Lämmer“ verwandelt werden müssen.

Don Bosco braucht heute Salesianer, die sich als „einfache Werkzeuge“ zur Verfügung stellen, um seinen missionarischen Traum zu verwirklichen. Mit diesem Brief appelliere ich an die Mitbrüder, die in der Tiefe ihres Herzens, durch die Gefühle, die sich in ihnen bewegen, den Ruf Gottes in unserer gemeinsamen salesianischen Berufung spüren, sich als Missionare mit lebenslanger Verpflichtung (ad vitam) zur Verfügung zu stellen, wohin auch immer der Generalobere sie senden wird.

Auf meinen Appell vom 18. Dezember 2022 haben 42 Salesianer geantwortet, indem sie mir das Schreiben ihrer missionarischen Bereitschaft zugesandt haben. Nach sorgfältiger Unterscheidung wurden 24 als Mitglieder der 154. missionarischen Expedition im vergangenen September ausgewählt. Die anderen sind noch in der Entscheidungsphase. Ich hoffe, dass sich in diesem Jahr ebenso viele oder sogar noch mehr großzügig zur Verfügung stellen werden.

Ich lade die Provinziale mit ihren Delegierten für die missionarische Animation (DIAM) ein, die ersten zu sein, die den Mitbrüdern helfen, ihre Unterscheidung zu erleichtern, indem sie sie einladen, sich nach einem persönlichen Gespräch dem Generaloberen zur Verfügung zu stellen, um auf die missionarischen Bedürfnisse der Kongregation zu antworten. Dann wird der Generalrat für die Missionen in meinem Namen die Unterscheidung fortsetzen, die zur Auswahl der Missionare für die 155. missionarische Expedition führen wird, die, so Gott will, am Sonntag, dem 29. September 2024, in der Maria-Hilf-Basilika in Valdocco stattfinden wird, wie es seit der Zeit Don Boscos üblich ist.

Der Dialog mit dem Generalrat für die Missionen und die gemeinsamen Überlegungen im Generalrat haben es mir ermöglicht, die für 2024 identifizierten Dringlichkeiten zu präzisieren, bei denen ich mir wünsche, dass eine bedeutende Anzahl von Mitbrüdern ausgesandt wird:
– in die neuen Grenzgebiete des afrikanischen Kontinents: Botswana, Niger, Nordafrika, usw.
– in die neuen Präsenzen, die wir in Griechenland und Vanuatu beginnen werden;
– nach Albanien, Rumänien, Deutschland, Slowenien und in andere Grenzgebiete des Projekts Europa;
– nach Aserbaidschan, Nepal, in die Mongolei, nach Südafrika und Jakutien;
– in die Präsenzen bei den indigenen Völkern des amerikanischen Kontinents.

Ich vertraue diesen letzten Missionsappell der Fürsprache unserer Unbefleckten Mutter und Helferin der Christen an, damit wir Salesianer den missionarischen Eifer Don Boscos lebendig halten können.

Ich grüße Sie, liebe Mitbrüder, in aufrichtiger Zuneigung,

Prot. 23/0585
Turin Valdocco, 18. Dezember 2023




Der Korb von Mama Margareta

Am Ende eines Jahres haben wir alle einen Erinnerungskorb in unserer Seele. Er enthält das, was wir erlebt haben, ein reiches Jahr, voller schöner Erinnerungen, aber auch unerwarteter Ereignisse. Ein Jahr, in dem es nicht an Überraschungen mangelte.

Liebe Freunde Don Boscos und seines Charismas, am Ende des Jahres 2023 erschien es mir interessant, die Symbolik des Korbes zu verwenden, den Mama Margareta immer auf dem Arm trägt. Auch auf dem neuen Plakat der „Strenna“ (Glückwunschgabe) ist ihr Erkennungszeichen der Korb, der an ihrem Arm hängt. Wir sind alle daran gewöhnt, sie so zu sehen, Mama Margareta. Ohne den Korb, das Taschentuch auf dem Kopf und das Kleid der armen Bäuerin würde sie nicht wie sie selbst aussehen.
Der Korb war aus Weidengeflecht und mit großer Sorgfalt geflochten. Sie trug darin die Babyausstattung für ihre Enkelkinder, duftende, frisch gebackene Brote und sauber duftende Wäsche.
Aber am 3. November 1846, so erzählt Don Bosco in seinen Erinnerungen an das Oratorium, als er und seine Mutter von Becchi nach Turin kamen, um die verlassenen Kinder der Stadt aufzunehmen, füllte Mama Margareta den Korb mit ihrer Hochzeitsaussteuer, sorgfältig gefaltet, und legte in der Mitte einige Lavendelsträuße ab. Im Boden, gut versteckt unter dem Stofffutter, verbarg sie ihren kleinen Schatz: ein kleines Samtpäckchen mit zwei Ringen und einem Goldanhänger.
Mit diesen wenigen Besitztümern konnten sie den ersten Bedarf des Oratoriums decken. Mama Margareta hatte ein Herz so groß wie alle Hügel von Asti, und die Wäsche begann zu verschwinden und wurde zu Hemden und Unterwäsche für die Jungen. Seltsam war das Schicksal des Hochzeitskleides, das zum ersten Altartuch in der Pinardi-Kapelle wurde und dann zu einem Laken für einen Cholera-Patienten.
Aber der Korb war nicht leer, er enthielt den Duft all der guten und schönen Dinge in ihrem Leben.

Die Truhe der glücklichen Erinnerungen
Am Ende des Jahres sollten wir alle einen Korb wie diesen haben. In unseren Köpfen und Herzen aufgehängt. Ein Korb als Schatztruhe für glückliche Erinnerungen. Wir sollten ihn mit dem Staunen über den Tanz des Lebens füllen, der schnell vergangen ist: die Menschen, die uns Gutes getan haben, die Ereignisse der Gnade, die Begegnungen, die uns Atem und Mut gegeben haben, die Gewissheiten, die Hoffnungen und unter allem das kostbare Gold der Gegenwart Gottes.
In meinem Korb fand ich viele Dinge, für die ich dem Herrn des Lebens, unserem guten Gott und Vater, danken kann. Und sicher, wie im Leben eines jeden Menschen, so auch bei Ihnen, die Sie mich lesen, hat nicht alles, was Sie in einem Jahr erleben, zu Freude geführt. Es gibt auch Sorgen, Nöte, Anforderungen, Verluste, aber all das, im Glauben gelebt, wird auf kostbare Weise erhellt.
            • In meinem Korb finde ich so viele Bemühungen, sowohl persönliche als auch die derjenigen, die mir bei der Animation und Leitung der Kongregation helfen, die dazu gedient haben, Leben zu geben, so viel Leben: Wir konnten so vielen Menschen, so vielen Kindern und Jugendlichen in der ganzen salesianischen Welt helfen und meine Mitbrüder und die salesianische Familie ermutigen, den Weg der salesianischen Treue weiterzugehen. Der Korb ist gefüllt mit so vielen Spenden von so vielen Menschen in der ganzen Welt, in den 135 Nationen und in den Tausenden von Werken der gesamten salesianischen Familie in aller Welt.
            • In meinem Korb befindet sich dieses Jahr der Besuch von Don Bosco im Zentrum für Minderjährige (die alte Generala, die Don Bosco mit Don Cafasso besuchte), von dem ich schweren Herzens und voller Trauer darüber, dass ich mit diesen jungen Menschen dort war (die, wie ich hoffe, diese Situation bald überwinden werden), nach Hause zurückgekehrt bin, aber auch mit der Freude, zu wissen, dass sie es schaffen werden. Der Gruß des jungen Mannes, der mich fragte: „Wann kommst du zurück?“, ist mir in Erinnerung geblieben. Und ich werde bald zurück sein.
            • In meinem Korb befindet sich die Freude über so viele Reisen, die ich im Laufe des Jahres unternommen habe – dieses Mal wieder in alle fünf Kontinente, denn ich bin wieder in Australien. Ich könnte seitenweise über all diese Reisen schreiben. Ich werde nur meinen Besuch in Peru erwähnen, zweimal im Februar, in der Hochebene von Huancayo, mit ihrer Kälte und ihren Hügeln und der Begegnung mit mehr als tausend jungen Menschen, auf einer Höhe von 2.500 Metern, und der immensen Hitze, der Stadt der ewigen Wärme (wie man zu sagen pflegt), Piura, wo ich eine Verehrung für Maria, die Helferin der Christen, fand, die mich bewegte.
            • Mein Korb enthält die Freude, mich fünf Monate nach der Heiligsprechung des salesianischen Koadjutors Artemide (Artemis) Zatti in Viedma (Argentinien) wiederzufinden und die Wege zurückzuverfolgen, die er gegangen ist, und dort zu leben, wo er gelebt und die Heiligkeit im Alltag verwirklicht hat.
            • Und der Korb, tief in meinem Herzen, enthält dieses Jahr die tiefste Erfahrung, die ein Mensch machen kann. Die Erfahrung, seine Mutter zu verlieren, vor allem, wenn der Vater bereits in den Himmel gegangen ist. Man hat wirklich das Gefühl, dass die „Nabelschnur“, die einen nicht nur bis zur Geburt, sondern ein Leben lang begleitet hat, für immer durchtrennt ist. Aber ich habe das auch erlebt, mit der Gnade des Herrn, als Verlust, gewiss, aber voller Sinn, voller Hoffnung und mit großer Dankbarkeit gegenüber dem Herrn des Lebens für ein langes und schönes Leben, sowohl bei meinem Vater als auch bei meiner Mutter. Wie könnte ich dem Herrn dafür nicht danken.
            • In meinem Korb liegt in diesem Jahr die große Freude über die wertvollen Tage, die ich in Lissabon beim Weltjugendtag verbracht habe. Mehr als eine Million junger Menschen gaben ein wertvolles Zeugnis von Menschlichkeit und Humanismus, von der Fähigkeit, in Harmonie, Freundschaft und Frieden zu leben, obwohl sie sehr unterschiedlich sind und aus allen Teilen der Welt kommen. Was für eine großartige Lektion, die sie uns erteilen.
            • Und schließlich enthält mein Korb in diesem Jahr einen tiefgreifenden Akt des Glaubens und des Gehorsams. Zweifelsohne hat der Heilige Vater dies getan, indem er mich zum Kardinal der Heiligen Römischen Kirche ernannt hat. Und gewiss im Glauben und in der Gewissheit, dass unser Gott das Leben eines jeden von uns auf die einzigartige Weise begleitet, die nur er kennt, habe ich diesen Entwurf und diesen Gehorsam angenommen. Sicherlich mit Dankbarkeit und mit dem Versprechen der Treue und Loyalität gegenüber dem Stellvertreter Christi, wie es uns bei der Entgegennahme des Kardinalsringes erklärt wird. Nur im Glauben kann eine solche Sache würdig gelebt werden.
Wie Sie sehen können, meine Freunde, ist mein Korb voll. Ich bin sicher, dass es im Leben eines jeden von Ihnen genauso ist. Das ist das große Geschenk des Lebens von Gott.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit in diesem Monat. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie in Erwartung der Wiederkunft Jesu Christi als salesianische Familie weiter daran arbeiten, dass unsere Welt von Hass und Zwietracht gereinigt und vom christlichen Geist erfüllt wird, damit wir alle immer in Frieden miteinander leben können.




Die Erinnerung an die Zukunft

Wir haben einen Traum. Und er ist unser größter Reichtum

Vor zweihundert Jahren hatte ein neunjähriger Junge, der arm war und keine andere Zukunft hatte, als Bauer zu werden, einen Traum. Er erzählte ihn am Morgen seiner Mutter, seiner Großmutter und seinen Geschwistern, die ihn auslachten. Die Großmutter schloss daraus: „Schenke den Träumen keine Beachtung“. Viele Jahre später schrieb dieser Junge, Johannes Bosco: „Ich war der Meinung meiner Großmutter, aber dieser Traum ging mir nicht mehr aus dem Kopf“.
Denn es war kein Traum wie so viele andere, und er starb nicht im Morgengrauen.
Er kam zurück und kam wieder zurück. Mit einer überwältigenden Ladung an Energie. Sie war für Johannes Bosco eine Quelle freudiger Sicherheit und unerschöpflicher Kraft. Die Quelle seines Lebens.
Beim diözesanen Seligsprechungsprozess für Don Bosco bezeugte Don Rua, sein erster Nachfolger: „Lucia Turco, die aus einer Familie stammte, in der D. Bosco oft bei ihren Geschwistern zu Gast war, erzählte mir, dass sie ihn eines Morgens freudiger als sonst ankommen sahen. Auf die Frage, was der Grund dafür sei, antwortete er, dass er in der Nacht einen Traum gehabt habe, der ihn aufgemuntert habe. Als er gebeten wurde, ihn zu erzählen, sagte er, er habe eine Frau auf sich zukommen sehen, die eine sehr große Herde hinter sich hatte, die sich ihm näherte, ihn beim Namen rief und sagte: „Hier ist der kleine Johannes; diese ganze Herde vertraue ich dir an. Ich hörte dann von anderen, dass er fragte: „Wie soll ich mich um so viele Schafe kümmern? Und so viele Lämmer? Wo werde ich Weiden finden, um sie zu hüten?“ Die Frau antwortete ihm: „Fürchte dich nicht, ich werde dir helfen“, und dann verschwand sie.
Von diesem Augenblick an wurde sein Wunsch, Priester zu werden, immer stärker; aber es gab ernsthafte Schwierigkeiten wegen der Notlage seiner Familie und auch wegen des Widerstands seines Halbbruders Antonio, der sich wünschte, dass er wie er auf dem Land gearbeitet hätte…“
In der Tat schien alles unmöglich zu sein, aber der Befehl Jesu war „gebieterisch“ und der Beistand der Gottesmutter war sanftmütig und sicher.
Don Lemoyne, der erste Geschichtsschreiber Don Boscos, fasste den Traum folgendermaßen zusammen: „Es schien ihm, dass er den göttlichen Erlöser sah, in Weiß gekleidet, strahlend im herrlichsten Licht, wie er eine unzählige Schar junger Männer anführte. Er wandte sich an ihn und sagte: ‚Komm her, stell dich an die Spitze dieser jungen Männer und führe sie selbst‘. ‚Aber ich bin dazu nicht fähig‘, antwortete Johannes. Der göttliche Erlöser beharrte so lange, bis Johannes sich an die Spitze dieser Schar von Jungen stellte und begann, sie zu führen, wie es ihm befohlen worden war“.
Im Priesterseminar schrieb Don Bosco eine Seite von bewundernswerter Demut als Motivation für seine Berufung: „Der Traum von Morialdo war mir immer eingeprägt; in der Tat war er bei anderen Gelegenheiten in viel deutlicherer Weise erneuert worden, so dass er, wenn er daran glauben wollte, den kirchlichen Stand wählen musste, zu dem ich seiner Meinung nach geneigt war. Aber er wollte nicht an Träume glauben, und meine Lebensweise und der absolute Mangel an den für diesen Stand notwendigen Tugenden machten diese Entscheidung zweifelhaft und sehr schwierig“.
Wir können sicher sein: Er hatte den Herrn und seine Mutter erkannt. Trotz seiner Bescheidenheit zweifelte er nicht im Geringsten daran, dass er vom Himmel besucht worden war. Er zweifelt auch nicht daran, dass diese Besuche dazu bestimmt waren, ihm seine Zukunft und die seines Werkes zu offenbaren. Er hat es selbst gesagt: „Die Salesianische Kongregation hat keinen Schritt getan, ohne von einer übernatürlichen Tatsache dazu aufgefordert worden zu sein. Sie ist nicht an den Punkt ihrer Entwicklung gelangt, an dem sie sich befindet, ohne einen besonderen Befehl des Herrn. Unsere ganze bisherige Geschichte hätten wir im Voraus in ihren bescheidensten Einzelheiten schreiben können…“.
Deshalb beginnen die Salesianischen Konstitutionen mit einem „Akt des Glaubens“: „In Demut und Dankbarkeit glauben wir, daß die Gesellschaft des heiligen Franz von Sales nicht nur aus menschlichen Plänen, sondern aus Gottes Initiative hervorgegangen ist“.

Das Testament von Don Bosco
Der Papst selbst bat Don Bosco, den Traum für seine Söhne zu schreiben. Er begann: „Wozu wird dieses Werk dienen? Es wird als Regel dienen, um künftige Schwierigkeiten zu überwinden, indem man eine Lehre aus der Vergangenheit zieht; es wird dazu dienen, bekannt zu machen, wie Gott selbst alles zu allen Zeiten gelenkt hat; es wird meinen Kindern als angenehme Abwechslung dienen, wenn sie die Dinge lesen können, an denen ihr Vater beteiligt war, und sie werden sie viel bereitwilliger lesen, wenn ich nicht mehr unter ihnen sein werde, weil ich von Gott aufgefordert wurde, Rechenschaft über meine Taten abzulegen“.
Don Bosco macht deutlich, dass er den Leser in das erzählte Abenteuer einbeziehen will, und zwar so sehr, dass er an der Geschichte teilnimmt, die ihn selbst betrifft, und dass er, in die Geschichte hineingezogen, dazu aufgefordert wird, sie fortzusetzen. Die Erzählung des Traums wird eindeutig zum „Testament“ Don Boscos.
Da ist die Mission: die Verwandlung der Welt, beginnend mit den Kleinsten, den Jüngsten, den am meisten Verlassenen. Da ist die Methode: Güte, Respekt, Geduld. Da ist die Sicherheit des starken Schutzes der Heiligen Dreifaltigkeit und des zärtlichen und mütterlichen Schutzes Marias.
In den Memoiren des Oratoriums erzählt Don Bosco, dass er zwanzig Jahre nach dem ersten Traum, im Jahr 1824, „einen neuen Traum hatte, der ein Anhängsel des Traums zu sein scheint, den ich in Becchi hatte, als ich neun Jahre alt war. Ich träumte, dass ich mich inmitten einer Schar von Wölfen, von Ziegen und Zicklein, von Lämmern, Schafen, Widdern, Hunden und Vögeln sah. Alle zusammen machten sie einen Lärm, ein Geschrei oder vielmehr einen teuflischen Lärm, der die Mutigsten erschrecken würde. Ich wollte schon weglaufen, als mir eine Dame, die sehr gut gekleidet war und die Gestalt einer Hirtin hatte, zuwinkte, ich solle ihr folgen und diese seltsame Herde begleiten, während sie vorausging…
Nach langem Laufen fand ich mich auf einer Wiese wieder, wo diese Tiere zusammen sprangen und fraßen, ohne dass eines dem anderen etwas zuleide tun wollte.
Von Müdigkeit geplagt, wollte ich mich an einer nahegelegenen Straße niederlassen, aber die Hirtin lud mich ein, meinen Weg fortzusetzen. Nach einem kurzen Weg befand ich mich in einem großen Hof mit einem Säulengang, an dessen Ende eine Kirche stand. Da bemerkte ich, dass vier Fünftel dieser Tiere zu Lämmern geworden waren. Ihre Zahl wurde also sehr groß. In diesem Augenblick kamen mehrere Hirtenjungen, um sie zu bewachen. Aber sie hielten kurz inne und gingen bald wieder. Dann geschah ein Wunder. Viele Lämmer verwandelten sich in Hirtenjungen, und als sie größer wurden, kümmerten sie sich um die anderen. Ich wollte gehen, aber die Hirtin lud mich ein, mir die Mittagszeit anzuschauen. „Schau noch einmal“, sagte sie mir, und ich schaute noch einmal. Dann sah ich eine schöne, große Kirche. An der Innenseite dieser Kirche war ein weißes Band, auf dem in großen Buchstaben geschrieben stand: Hic domus mea, inde gloria mea.
Deshalb betreten wir, wenn wir die Maria-Hilf-Basilika betreten, den Traum von Don Bosco.
Der darum bittet, „unser“ Traum zu werden.




Ich möchte weiterhin anderen dienen… auf eine andere Art und Weise. MEINE ERNENNUNG ZUM KARDINAL

Mir ist daran gelegen, die Aussage unseres heiligen Gründers aus dem Jahr 1884 zu teilen: „Ich sehe immer mehr, welch glorreiche Zukunft unserer Gesellschaft bevorsteht, welche Ausdehnung sie haben wird und was sie an Gutem zu vollbringen vermag“.

Liebe Freunde des salesianischen Charismas, mein aufrichtiger, brüderlicher und liebevoller Gruß möge jeden von Ihnen erreichen.
Das Salesianische Bulletin hat mir „nahegelegt“, dieses Grußwort nicht wie sonst zu verfassen, indem ich etwas Bedeutendes erzähle, das ich erlebt habe, sondern indem ich über mich spreche, über diese neue Wirklichkeit, die mich erwartet. Und ich habe etwas erfahren, das ich über die Person unseres Vaters Don Bosco studiert hatte. Es fiel ihm schwer, über sich selbst zu sprechen und noch schwerer, seine Gefühle auszudrücken. In meinem Fall muss ich zugeben, dass es mir ein wenig schwer fällt, über die jüngsten Ereignisse, die mir widerfahren sind, zu sprechen oder zu schreiben; aber ich gebe zu, dass ich es früher oder später tun muss, und die Botschaft des Salesianischen Bulletins, die in den Händen und Herzen so vieler Freunde des Charismas von Don Bosco ankommt, ist eine gute Möglichkeit, diese persönliche Botschaft zu übermitteln.
Nach der (vor allem für mich) unerwarteten Nachricht, mit der der Heilige Vater Franziskus auch meinen Namen unter den 21 Personen bekannt gegeben hat, die er ausgewählt hat, um im nächsten Konsistorium am 30. September zu Kardinälen der Kirche „ernannt“ zu werden, haben sich Tausende von Menschen gefragt, vor allem unter den Salesianern Don Boscos und den Mitgliedern der salesianischen Familie in der ganzen Welt: Und was wird jetzt passieren? Wer wird das Leben der Kongregation in der nächsten Zeit begleiten? Welche Schritte stehen ihr bevor? Sie können gut verstehen, dass auch ich mir diese Fragen gestellt habe, während ich dem Herrn im Glauben für dieses Geschenk dankte, das Papst Franziskus uns als Salesianische Kongregation und als Familie Don Boscos gemacht hat.
Wenn man den Glauben liest und die großen Dinge kennt, die Gott getan hat und was wir durch sein Wort wissen, könnte man sagen, dass Gott Überraschungen liebt.  Normalerweise sagt Gott in der Bibel: „Geh weg! Der Weg wird sich offenbaren“.  Eine wichtige Sache, die wir von Don Bosco gelernt haben: Lassen wir uns durch nichts beirren und vertrauen wir auf Gottes Vorsehung.
Mir ist daran gelegen, die Aussage unseres heiligen Gründers aus dem Jahr 1884 zu teilen: „Ich sehe immer mehr, welch glorreiche Zukunft unserer Gesellschaft bevorsteht, welche Ausdehnung sie haben wird und was sie an Gutem zu vollbringen vermag“.
Nach der Verkündigung des Angelus konnte ich persönlich mit dem Heiligen Vater, Papst Franziskus, sprechen und ihm versichern, dass ich für jeden Dienst zur Verfügung stehe. Ich antwortete wie Don Bosco, als er gebeten wurde, den Herz-Jesu-Tempel in Rom zu bauen, in seinem Fall ein älterer und kranker Don Bosco, der auch die Last und die Verantwortung einer jungen Kongregation spürte. Don Bosco antwortete: „Wenn es der Befehl des Papstes ist, gehorche ich!“
In aller Schlichtheit habe ich dem Heiligen Vater gesagt, dass wir Salesianer von Don Bosco gelernt haben, immer für das Wohl der Kirche zur Verfügung zu stehen, und insbesondere für alles, was der Papst verlangt. Während ich also Gott für dieses Geschenk danke, das der ganzen Kongregation und der Salesianischen Familie gehört, drücke ich Papst Franziskus meine Dankbarkeit aus, indem ich ihm im Namen aller Mitglieder unserer großen Familie ein noch inbrünstigeres und intensiveres Gebet zusichere. Ein Gebet, das, wie ich bereits sagte, immer von unserer aufrichtigen und tiefen Zuneigung begleitet sein wird.

Was wird jetzt passieren?
Ich muss Ihnen mitteilen, dass ich von der Sensibilität unseres Papstes Franziskus zutiefst berührt war, als er feststellte, dass sich mein Dienst als Generaloberer nicht sofort von einem Tag auf den anderen ändern würde. Aus diesem Grund hat mir der Heilige Vater etwa eine halbe Stunde nach der Bekanntgabe der Ernennung während des Angelusgebets am Sonntag, dem 9. Juli, einen Brief geschickt, in dem er von der Zeit sprach, die ich brauche, um mich auf das Generalkapitel unserer Kongregation vorzubereiten, bevor ich die Aufgabe übernehme, die er mir anvertrauen will. Wie immer zeigte sich der Heilige Vater aufmerksam, herzlich, ein tiefer Bewunderer des Charismas von Don Bosco und besonders liebevoll. Gefühle, die ich in meinem eigenen Namen und im Namen der gesamten Salesianischen Familie erwidert habe.
Ich möchte mit Ihnen die Anweisungen teilen, die der Heilige Vater mir mitgeteilt hat.
Der Papst hat entschieden, dass ich zum Wohle unserer Kongregation nach dem Konsistorium vom 30. September 2023 meinen Dienst als Generaloberer bis zum 31. Juli 2024 fortsetzen darf. Nach diesem Datum werde ich meinen Rücktritt als Generaloberer einreichen, wie es unsere Konstitutionen und Vorschriften verlangen, um aus den Händen des Heiligen Vaters den Dienst zu übernehmen, den er mir anvertrauen wird.
Dies hat mir der Papst selbst mitgeteilt. Wir werden das 29. Generalkapitel um ein Jahr vorverlegen können, d.h. im Februar 2025. Mein Vikar, Don Stefano Martoglio, wird die Leitung der Kongregation ad interim übernehmen, wie es in unseren Konstitutionen bis zur Feier vom 29. GK festgelegt ist. Abschließend bleibt mir noch eine Frage zu beantworten, die sich viele von Ihnen stellen werden: Welche Aufgabe wird mir der Heilige Vater anvertrauen? Papst Franziskus hat es mir noch nicht gesagt. Außerdem denke ich, dass dies bei dieser großen Zeitspanne das Sinnvollste ist.
Auf jeden Fall bitte ich Sie alle, liebe Mitbrüder und Mitglieder der Gruppen unserer Salesianischen Familie, weiterhin das Gebet zu intensivieren. Besonders für Papst Franziskus. Er selbst hat es am Ende der mir gewährten Privataudienz ausdrücklich gewünscht.
Schließlich bitte ich Sie auch, für mich zu beten, der ich vor der Aussicht auf einen neuen Dienst in der Kirche stehe, den ich als Sohn Don Boscos in kindlichem Gehorsam annehme, ohne ihn gesucht zu haben, weil ich wirklich glaube, dass die Dienste, die wir in der Kirche leisten, nicht gesucht oder gefordert werden können und dürfen, als ginge es um eine persönliche Karriere. Was für die „Welt“ angemessen ist, ist für uns als Diener im Namen Jesu unangemessen. Und wir müssen uns (hoffentlich stark) von manchen Maßstäben der Welt unterscheiden. Zeuge für all dies ist unser geliebter Pater Don Bosco vor dem Herrn Jesus.
Ich danke Ihnen für die Zuneigung, die Nähe, die in diesen Wochen in den vielen Botschaften zum Ausdruck kam, die ich aus der ganzen Welt erhalten habe.
Ich fühle mich angesprochen von denselben Worten, die die Gottesmutter im Traum der neun Jahre zu Don Bosco sagte, dessen zweites hundertjähriges Todesjahr im nächsten Jahr gefeiert wird: „Zu gegebener Zeit wirst du alles verstehen“. Und wir wissen, dass dies für unseren Vater tatsächlich fast am Ende seines Lebens geschah, vor dem Altar von Maria, der Helferin der Christen, in der Herz-Jesu-Basilika, die am Tag zuvor, am 16. Mai 1887, geweiht worden war. Von der Maria-Hilf-Basilika aus sende ich Ihnen einen herzlichen und dankbaren Gruß und vertraue Sie alle Ihr an, der Mutter, die uns weiterhin begleiten und unterstützen wird. Wie immer grüße ich Sie mit großer Zuneigung.




Kinder der Familie

Lass uns den großen Wert der Nähe, der Freundschaft, der einfachen Freude im täglichen Leben, den Wert des Teilens, des Gesprächs und der Kommunikation wiederentdecken.

Ich schreibe diese Zeilen, liebe Freunde Don Boscos und seines kostbaren Charismas, während ich den Entwurf des Salesianischen Bulletins für September betrachte. Mein Grußwort ist das letzte, das eingefügt wird: Ich bin der letzte, der schreibt, je nach dem Inhalt des Monats. Genau wie Don Bosco es tat.
In diesem Monat, zu Beginn des akademischen Jahres in den Schulen, in den Oratorien, freue ich mich, dass die Botschaften so missionarisch geprägt sind (und deshalb werden die Philippinen und Papua-Neuguinea erwähnt), aber auch die Einfachheit einer „salesianischen Mission“ mit dem lokalen Flair des Hauses Saluzzo.
Bei der Lektüre des Bulletins lerne ich etwas zu schätzen, das uns sehr eigen ist, sehr salesianisch, und das sicher viele von Ihnen erfreut: Ich meine den großen Wert der Nähe, der Freundschaft, der einfachen Freude im täglichen Leben, den Wert des Teilens, des Gesprächs und der Kommunikation.  Das große Geschenk, Freunde zu haben, zu wissen, dass man nicht allein ist. Das Gefühl, von so vielen guten Menschen in unserem Leben geliebt zu werden.
Und als ich über all dies nachdachte, kam mir das aufrichtige und sehr ehrliche Zeugnis einer jungen Frau in den Sinn, das sie an Don Luigi Maria Epicoco schrieb und das er in seinem Buch La luce in fondo veröffentlichte. Dieses Zeugnis möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, denn ich halte es für das Gegenteil von dem, was wir jeden Tag in jedem Salesianer-Haus aufzubauen versuchen. Diese junge Frau spürt in gewissem Sinne, dass es keinen Erfolg und keine Erfüllung gibt, wenn die menschlichste aller Begegnungen, die schönsten menschlichen Beziehungen, fehlen, und dieses Schuljahr, das wir beginnen, bringt uns das wieder ins Bewusstsein.
Diese junge Frau schreibt von sich selbst: „Lieber Pater, ich schreibe Ihnen, weil ich Sie bitten möchte, mir zu helfen, zu verstehen, ob die Nostalgie, die ich in diesen Monaten empfinde, bedeutet, dass ich seltsam bin oder dass sich etwas Wichtiges für mich verändert hat. Vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich Ihnen ein wenig von mir erzähle. Ich beschloss, von zu Hause wegzugehen, als ich gerade achtzehn Jahre alt war. Es war ein Weg, einer Umgebung zu entkommen, die mir so eng erschien, so erdrückend für meine Träume. Ich kam also in Mailand an und suchte nach Arbeit. Meine Familie konnte mein Studium nicht unterstützen. Das war auch der Grund, warum ich wütend auf sie war. Alle meine Freundinnen waren in einem Rausch, eine Fakultät zu wählen. Ich hatte keine Wahl, denn niemand konnte mich unterstützen. Ich suchte nach einem Job, von dem ich leben konnte und träumte jahrelang von einer Chance zu studieren. Es gelang mir und unter großen Opfern machte ich meinen Abschluss. Am Tag meines Abschlusses wollte ich nicht, dass meine Familie dabei ist. Ich dachte, dass Bauern, die nur die Sekundarschule besucht haben, nichts von meinem Studium verstehen würden. Ich sagte nur meiner Mutter, dass alles gut gelaufen war, und ich spürte ihre Tränen, die für einen Moment ein Schuldgefühl in mir weckten, das ich noch nie zuvor empfunden hatte. Aber das war nur eine Kleinigkeit. Ich habe mich aus eigener Kraft verwirklicht und konnte und wollte mich nie auf jemanden verlassen. Selbst bei der Arbeit kam ich voran, weil ich mich mit mir selbst verbündete.
So habe ich Jahre verbracht. Und ich verstehe nicht, warum erst jetzt, inmitten des Lockdowns durch diese Pandemie, eine Sehnsucht nach meiner Familie in mir aufkeimt. Ich träume davon, ihnen alles zu erzählen, was ich ihnen nie gesagt habe. Ich träume davon, meinen Vater zu umarmen. Nachts wache ich auf und frage mich, ob man ein Leben ohne solche bedeutungsvollen Beziehungen führen kann. Selbst bei den Beziehungen, die ich im Laufe der Jahre hatte, habe ich nie zugelassen, dass sie die Grenze zur wahren Intimität überschreiten. Aber jetzt kommt mir alles so anders vor. Jetzt, wo ich mich nicht mehr entscheiden kann, das Haus zu verlassen oder zu demjenigen zu gehen, den ich für wichtig halte, ist mir die große Lüge bewusst geworden, in der ich die ganze Zeit gelebt habe.
Wer sind wir ohne Beziehungen? Vielleicht nur unglückliche Menschen, die nach Bestätigung suchen. Ich habe jetzt erkannt, dass ich alles, was ich getan habe, in Wirklichkeit getan habe, weil ich hoffte, dass mir jemand sagen würde, wer ich wirklich bin. Aber die einzigen, die mir bei der Beantwortung dieser Frage helfen konnten, habe ich abgeschnitten, indem ich die Beziehungen beendet habe. Und jetzt riskieren sie ihr Leben, Hunderte von Kilometern von mir entfernt. Wenn ich sterben müsste, würde ich bei ihnen sein wollen und nicht bei meinen Erfolgen“.

Eine geteilte Freude
Ich schätze die Ehrlichkeit und den Mut dieser jungen Frau, die mich sehr zum Nachdenken über unsere heutige Realität gebracht hat. Sie hat mich dazu gebracht, über den Lebensstil nachzudenken, den wir in so vielen Familien führen, in denen es wichtig ist, gute Ergebnisse zu erzielen, eine gute wirtschaftliche Situation zu erreichen, unsere Tage mit Dingen zu füllen, die wir tun können, damit alles rentabel ist, etc…. aber wir zahlen sehr hohe Preise dafür, dass wir immer und immer mehr nicht außerhalb des Hauses, sondern außerhalb von uns selbst leben. Es besteht die Gefahr, ohne Zentrum zu leben, d.h. „außerhalb des Zentrums“. Und glauben Sie mir, liebe Freunde, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr sich dies vor allem bei den Jungen und Mädchen in unseren Häusern, unseren Höfen und unseren Oratorien zeigt.
Don Boscos zweiter Nachfolger, Don Paolo Albera, behauptet: „Don Bosco erzog, indem er liebte, anzog, eroberte und verwandelte.  Er hüllte uns alle fast vollständig in eine Atmosphäre der Zufriedenheit und der Glückseligkeit, aus der Sorgen, Traurigkeit und Melancholie verbannt wurden… Er hörte den Kindern mit größter Aufmerksamkeit zu, als ob die Dinge, die sie sagten, alle sehr wichtig wären.
Das erste Vergnügen im Leben ist es, gemeinsam glücklich zu sein: „Geteilte Freude ist doppelte Freude“. Die Parole des Erziehers lautet: „Mir geht es gut mit euch“. Eine Präsenz, die das Leben intensiviert.
Ein Biograph von Don Bosco, Don Ceria, berichtet, dass ein hoher Prälat nach einem Besuch in Valdocco erklärte: „Sie haben in Ihrem Haus einen großen Reichtum, den sonst niemand in Turin hat und auch keine andere Ordensgemeinschaft. Sie haben einen Raum, in den jeder, der ihn voller Kummer betritt, freudestrahlend wieder herauskommt“.  Don Lemoyne notierte mit Bleistift: „Und tausend von uns haben dies hautnah erlebt“.
Eines Tages sagte Don Bosco: „Unter uns scheinen die jungen Leute jetzt wie Kinder der Familie zu sein, alle Haushälter; sie machen die Interessen der Kongregation zu ihren eigenen. Sie sagen: unsere Kirche, unser Kolleg, was immer die Salesianer betrifft, sie nennen es unser“.
Deshalb ist dieses neue Jahr eine Gelegenheit, sich um das Wesentlichste und Wichtigste zu kümmern: um uns selbst. Für unsere Familie.




Brief des Generaloberen nach seiner Ernennung zum Kardinal

An alle Salesianischen Mitbrüder (SDB) An die Mitglieder der Salesianischen Familiengruppen

Liebe Brüder und Schwestern,
möge mein aufrichtiger, brüderlicher und liebevoller Gruß jeden einzelnen von Ihnen erreichen.

Nach der (vor allem für mich) unerwarteten Nachricht, mit der der Heilige Vater Franziskus auch meinen Namen unter den 21 Personen bekannt gegeben hat, die er ausgewählt hat, um im nächsten Konsistorium am 30. September zu Kardinälen der Kirche „ernannt“ zu werden, werden sich Tausende von Menschen gefragt haben: Was wird jetzt passieren? Wer wird die Kongregation in naher Zukunft leiten? Welche Schritte stehen ihr bevor?

Sie können gut verstehen, dass auch ich mir diese Fragen gestellt habe, während ich dem Herrn im Glauben für dieses Geschenk danke, das Papst Franziskus uns als salesianische Kongregation und als Familie Don Boscos gemacht hat.

Was für eine große Zuneigung der Papst zu uns hat!!!

Während ich also Gott für dieses Geschenk danke, das der ganzen Kongregation und der salesianischen Familie gehört, bringe ich meinen Dank an Papst Franziskus zum Ausdruck, indem ich ihm im Namen aller Mitglieder unserer großen Familie ein noch inbrünstigeres und intensiveres Gebet zusichere. Ein Gebet, das, wie ich bereits sagte, immer von unserer aufrichtigen und tiefen Zuneigung begleitet sein wird.

Etwa eine halbe Stunde nach der Bekanntgabe der Ernennung während des Angelusgebets am vergangenen Sonntag, dem 9. Juli, übergab mir der Heilige Vater einen Brief, in dem er um ein dringendes Treffen mit ihm bat, um den notwendigen Zeitplan für meinen Dienst als Generaloberer zum Wohle vor allem der Kongregation zu vereinbaren. Der Papst selbst sprach in dem erwähnten Brief mit mir ausdrücklich über die Vorbereitung und das nächste Generalkapitel, das für 2026 geplant ist.

Gestern Nachmittag, am Dienstag, den 11. Juli, wurde ich also von Papst Franziskus empfangen. Ich hatte ein brüderliches Gespräch mit ihm. Wie immer zeigte sich der Papst ein aufmerksamer, herzlicher, großer Verehrer des Charismas von Don Bosco und besonders liebevoll. Gefühle, die ich in meinem eigenen Namen und im Namen der gesamten salesianischen Familie erwidert habe.

Ich bin nun in der Lage, mit der salesianischen Kongregation und unserer in der ganzen Welt verstreuten Familie die Anweisungen zu teilen, die mir der Heilige Vater mitgeteilt hat.

Hier sind sie:
– Wir werden das 29. Generalkapitel um ein Jahr vorverlegen können, d.h. auf Februar 2025;
– Der Papst hat entschieden, dass ich zum Wohle unserer Kongregation nach dem Konsistorium vom 30. September 2023 meinen Dienst als Generaloberer bis zum 31. Juli 2024 fortsetzen darf, also bis zum Abschluss der Sommervollversammlung des Generalrats;
– Nach diesem Datum werde ich meinen Rücktritt als Generaloberer einreichen, um aus den Händen des Heiligen Vaters den Dienst zu übernehmen, den er mir anvertrauen wird. Dies hat mir der Papst selbst mitgeteilt;
– Gemäß Artikel 143 unserer Konstitutionen, der die Bestimmungen für den Fall enthält, dass ich „vom Amt des Generaloberen zurücktrete“ und von Papst Franziskus zu einem anderen Dienst berufen wurde, wird mein Vikar, Don Stefano Martoglio, die Leitung der Kongregation ad interim bis zur Feier des GK29 übernehmen;
– Das 29. Generalkapitel wird von mir mindestens ein Jahr vor seiner Feier einberufen, wie es in unseren Konstitutionen und den Allgemeinen Regelungen (Reg. 111) festgelegt ist, und mein Vikar, Don Stefano Martoglio, wird den Vorsitz führen;
– Während dieser Zeit werden wir weiterhin das Programm des festgelegten Sechsjahreszeitraums für die Animation und Leitung der Kongregation befolgen. Um alle geplanten außerordentlichen Visitationen (einschließlich derjenigen für das Jahr 2025) abzuschließen, wird der Generalobere nach Anhörung der Mitglieder des Generalrats einen weiteren außerordentlichen Visitator ernennen. Auf diese Weise wird es möglich sein, auf dem GK29 ein vollständiges und aktuelles Bild von der Situation der gesamten Kongregation zu erhalten;
– Für alle anderen Elemente im Zusammenhang mit dem Generalkapitel werde ich im Schreiben zur offiziellen Einberufung des GK29 detaillierte Informationen liefern.

Abschließend bleibt mir noch eine Frage, die sich viele von Ihnen stellen werden, zu beantworten: Welche Aufgabe wird mir der Heilige Vater anvertrauen?
Papst Franziskus hat es mir noch nicht gesagt. Außerdem denke ich, dass es bei diesem großen zeitlichen Spielraum die günstigste Sache ist.

Auf jeden Fall bitte ich Sie alle, liebe Mitbrüder und Mitglieder der Gruppen unserer salesianischen Familie, weiterhin das Gebet zu intensivieren. Vor allem für Papst Franziskus. Er selbst hat am Ende der Privataudienz, die mir gewährt wurde, ausdrücklich darum gebeten.

Und ich bitte Sie auch, für das zu beten, was wir in diesem Jahr als Kongregation und als salesianische Familie erleben werden.

Schließlich bitte ich Sie auch, für mich zu beten, der ich vor der Aussicht auf einen neuen Dienst in der Kirche stehe, den ich als Sohn Don Boscos in kindlichem Gehorsam annehme, ohne ihn gesucht oder gewollt zu haben. Unser geliebter Vater Don Bosco ist mein Zeuge vor dem Herrn Jesus.

Ich danke Ihnen für die Zuneigung, die Nähe, die in diesen Tagen durch die zahlreichen Botschaften zum Ausdruck kommt, die ich aus der ganzen Welt erhalten habe.

Von der Maria-Hilf-Basilika aus sende ich Ihnen einen liebevollen und dankbaren Gruß und vertraue jeden einzelnen von ihnen Ihrer Mutter an, die uns auch weiterhin begleiten und unterstützen wird.

Ich fühle mich an dieselben Worte erinnert, die die Gottesmutter im Traum der neun Jahre zu Don Bosco sagte, dessen zweites hundertjähriges Jubiläum im nächsten Jahr gefeiert wird: „Zu gegebener Zeit wirst du alles verstehen“. Und wir wissen, dass dies für unseren Vater tatsächlich fast am Ende seines Lebens geschah, vor dem Altar von Maria, der Helferin der Christen, in der Herz-Jesu-Basilika, die am Tag zuvor, am 16. Mai 1887, geweiht worden war.

Legen wir alles in die Hände des Herrn und seiner Mutter.

Mit großer Zuneigung und freundlichen Grüßen,
Prot. 23/0319
Turin, den 12. Juli 2023




Das ist Liebe…

as ist das einfache und stille Gute, das Don Bosco getan hat. Das ist das Gute, das wir weiterhin gemeinsam tun.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Leserinnen und Leser des Salesianischen Bulletins: Wie jeden Monat erhalten Sie meine herzlichen Grüße – einen Gruß, den ich vorbereite, indem ich mein Herz sprechen lasse – ein Herz, das die salesianische Welt weiterhin mit der Hoffnung und der Gewissheit betrachten möchte, die Don Bosco selbst hatte, dass wir gemeinsam viel Gutes tun können und dass das Gute, das getan wird, bekannt gemacht werden muss.
Ich erkenne bei vielen Salesianern Don Boscos „Leidenschaft“ für die Glückseligkeit der jungen Menschen. Eine berühmt gewordene Formel versucht, das Erziehungssystem Don Boscos in drei Worten zusammenzufassen: Vernunft, Religion, Liebe. Schule, Kirche, Innenhof. Ein Salesianerhaus ist all dies in Stein gemeißelt. Aber das Oratorium von Don Bosco ist viel mehr. Es ist ein Arsenal an Anregung und Kreativität: Musik, Theater, Sport und Spaziergänge, die ein wahres Eintauchen in die Natur sind. Alles gewürzt mit echter, väterlicher, geduldiger und enthusiastischer Zuneigung.

Eine mutige Mutter
Nun, während ich mit Schmerz und Sorge die Chronik des Sudan lese, wo die Situation für alle sehr schwierig ist, und auch die Situation der Salesianer, möchte ich heute ein weiteres schönes Zeugnis geben, auch wenn ich dieses Mal kein Augenzeuge war, aber ich erzähle, was mir mitgeteilt wurde.
Die Szene spielt in Palabek (Uganda), wohin wir Salesianer von Don Bosco mit den ersten Flüchtlingen gehen wollten, als diese vor fünf Jahren ankamen. Das Zelt war die Unterkunft und die Kapelle für das Gebet und die Feier der ersten Eucharistie war der Schatten eines Baumes.
Jeden Tag kamen Hunderte und Aberhunderte von Flüchtlingen aus dem Sudan in Palabek an. Zunächst wegen des Konflikts im Südsudan. Jahre später kommen sie immer noch, jetzt wegen des Konflikts im Sudan (d.h. im Nordsudan).
Was ich Ihnen hier erzähle, hat mir der Generalrat für Missionen erzählt, der einige Tage zuvor nach Palabek gereist war, um diese Präsenz in einem Flüchtlingslager, in dem bereits Zehntausende aufgenommen wurden, weiter zu begleiten.
Vor zehn Tagen kam eine Frau mit elf Kindern an. Allein, ohne jede Hilfe, hatte sie mehrere Regionen durchquert, die für sie und die Kinder voller Gefahren waren. Sie hatte im letzten Monat mehr als 700 Kilometer zurückgelegt und die Gruppe der Kinder wuchs. Und genau darüber möchte ich sprechen, denn das ist MENSCHLICHKEIT und das ist LIEBE. Diese Frau kam mit elf Kindern in ihrer Obhut in Palabek an und stellte sie alle als ihre Kinder vor. Aber in Wirklichkeit waren sechs von ihnen ihre eigenen Kinder. Drei weitere waren die Kinder ihres kürzlich verstorbenen Bruders, den sie in ihre Obhut genommen hatte, und zwei weitere waren kleine Waisenkinder, die sie auf der Straße gefunden hatte, allein, ohne jemanden und natürlich ohne Papiere (wer kann schon an Papiere denken, wenn das Lebensnotwendigste fehlt?), und sie waren die Pflegekinder dieser Frau geworden.
Bei manchen Gelegenheiten wurde eine Mutter, die ihr Leben gab, um ihr Kind zu verteidigen, als „mutige Mutter“ bezeichnet. In diesem Fall möchte ich diese Mutter von elf Kindern als „mutige Mutter“ bezeichnen, aber vor allem als eine Frau, die im Grunde ihres Herzens weiß, was es heißt, zu lieben, auch wenn sie dafür leiden muss, denn sie lebt und lebte mit ihren elf Kindern in absoluter Armut.
Willkommen in Palabek, mutige Mutter. Willkommen in der salesianischen Präsenz. Zweifellos wird alles getan, damit es diesen Kindern nicht an Nahrung mangelt, und dann an einem Platz zum Spielen, Lachen und Lächeln – im Oratorium der Salesianer – und an einem Platz in unserer Schule.
Das ist das einfache und stille Gute, das Don Bosco getan hat. Das ist das Gute, das wir weiterhin gemeinsam tun, denn, glauben Sie mir, das Gefühl, dass wir nicht allein sind, die Gewissheit, dass viele von Ihnen mit Freude und Sympathie die Anstrengungen sehen, die wir jeden Tag zum Wohle der anderen unternehmen, gibt uns auch viel menschliche Kraft, und zweifellos lässt der liebe Gott sie wachsen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Sommer. Zweifellos wird unserer, auch meiner, ruhiger und angenehmer sein als der dieser Mutter aus Palabek, aber ich denke, ich kann sagen, dass wir mit dem Gedanken an sie und ihre Kinder in gewisser Weise eine Brücke geschlagen haben.
Seien Sie sehr glücklich.