Salesianer in Tijuana. Ein Haus an der Grenze

Nur 30 Meter von der Grenze zu den Vereinigten Staaten entfernt bietet ein Salesianerhaus in Mexiko viele Dienstleistungen für junge Menschen, Arme und Migranten an. Und das im verkehrsreichsten Grenzgebiet der Welt, in einer Stadt, deren Bevölkerung sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht hat, und in einem Gebiet, das weltweit für die Mauer bekannt ist, die Mexiko von den Vereinigten Staaten trennt.

Die Salesianer kamen am Fest des Heiligen Josef, dem 19. März 1987, in der Stadt Tijuana in Baja California (Mexiko) an.
Ende der 1980er Jahre richtete der damalige Provinzial seinen Blick auf die nördliche Grenze Mexikos und betonte, dass die Präsenz im Norden eine „Lunge“ darstellen müsse, um der Mission und dem apostolischen und religiösen Leben der Salesianischen Provinz reine Luft zu garantieren.

Mit dieser Absicht und dem Wunsch, den vielen Bedürfnissen der Stadt gerecht zu werden, machten sich die Salesianer daran, Räume für den Bau von Oratorien in der Stadt zu finden. In weniger als einem Jahrzehnt wurden neun Oratorien gebaut, in denen junge Menschen ein Zuhause, einen Spielplatz, eine Schule und eine Kirche fanden.
Im Laufe der Zeit wurde die Aufmerksamkeit auf andere Bedürfnisse gelenkt, und es entstanden sechs Arbeiterwohnheime in verschiedenen Arbeitervierteln der Stadt, die das Salesianische Projekt Tijuana bilden. Jedes von ihnen umfasst mehrere Einrichtungen, so dass mehr als zehn Arbeitsfronten entstanden sind.

Das erste Werk war die Pfarrei und das Oratorium Maria Auxiliadora in der „Colonia Herrera“. Sowohl die Pfarrei als auch das Oratorium befassen sich mit verschiedenen Problemen in der Kolonie. Derzeit werden Schritte unternommen, um eine Vereinbarung mit der IOM (Internationale Organisation für Migration) zum Zwecke der Einrichtung eines Gesundheitszentrums mit rechtlicher und psychologischer Beratung und medizinischer Versorgung zu treffen. In der Gemeinde gibt es eine Notunterkunft für Migrantenfamilien namens „Pro amore DEI“, die von verschiedenen Aktivitäten begleitet wird. Das Oratorium von Maria, Hilfe der Christen, bietet kurze und flexible Workshops an, die verschiedene Lernmöglichkeiten bieten, die alle den Familien zugutekommen. Diese Workshops werden von Kindern und Familien in gefährdeten Situationen besucht. Dazu zählen: Schneiderei-Workshop, Beauty-Workshop, Fußball-Workshop, Zumba-Workshop, Gitarren-Workshop und Computer-Workshop, psychologische Beratung und Schulungen für Erwachsene oder Jugendliche außerhalb des schulischen Umfelds, in Absprache mit dem INEA (Nationales Institut für Erwachsenenbildung).

Eine weitere Einrichtung im Stadtzentrum ist das Oratorium San Francisco de Sales, das sich in der Castillo-Kolonie befindet. Bei dieser Präsenz befinden sich auch mehrere Einrichtungen, darunter ein Wohnhaus der Ordensgemeinschaft, das Oratorium, die Büros der COMAR (Mexikanische Kommission für Flüchtlingshilfe), die in Zusammenarbeit mit dem UNHCR (Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen) Dienstleistungen für Asylsuchende anbietet (Personalausweise, Arbeitsangebote, rechtliche Unterstützung), und die Büros des Salesianischen Projekts Tijuana. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Dienstleistungen für die am stärksten Benachteiligten, d. h. Ausländer, die auf der Suche nach Zuflucht in die Stadt kommen und ihre Rechte in Würde wahrnehmen wollen. Im Oratorium werden die Familien der Kolonie mit flexiblen und agilen Workshops unterstützt, die einen Raum für Wachstum bieten (es handelt sich um eine Arbeiterkolonie, die in den letzten Jahren aufgrund dieser Situation stark unter Drogenhandel und Morden gelitten hat). Für das Salesianische Projekt Tijuana war und ist es von großer Bedeutung, offen für die Bildung von Netzwerken und Allianzen mit verschiedenen Institutionen zu sein, die die Hilfe für junge Menschen, Migranten und Familien in gefährdeten Situationen stärken und fördern.

Das Oratorium Domingo Savio befindet sich im Herzen der Kolonie „Sánchez-Taboada“. Diese Kolonie ist etwas ganz Besonderes. Jüngsten Statistiken zufolge steht das Sanchez-Taboada-Viertel an erster Stelle der Gewalt in der Stadt. In diesem Viertel wurden in weniger als fünf Monaten 146 Menschen getötet, was es zur gewalttätigsten Kolonie macht, in der die höchste Zahl an vorsätzlichen Morden verzeichnet wurde. Hier ist unsere salesianische Präsenz angesiedelt, die verschiedene Dienste entwickelt: eine Präsenz, die vor allem den Familien Hoffnung und den Kindern Chancen bringen will. Die Situation der Gewalt, die Armut und die orografische Lage des Salesianerhauses erfordern ständige finanzielle Unterstützung, um die Einrichtungen instand zu halten und geeignetes Personal für die pädagogischen Dienste zu finden. Derzeit werden unter anderem folgende Aktivitäten angeboten: Fußball-Workshop, Gitarren-Workshop, Volleyball-Workshop, Schulordnungs-Workshop für Kinder und Jugendliche, Englisch-Workshop und Computer-Workshop. In diesem Oratorium, wie auch in den anderen fünf Präsenzen, werden in der Kapelle Sakramentenkatechese sowie Gottesdienste und liturgische Feiern angeboten.

Das Oratorium San José Obrero befindet sich im östlichen Teil der Stadt, in der Kolonie „Ejido Matamoros“. Es verfügt über Sporteinrichtungen, die einer großen Anzahl von Jugendlichen, Kindern und Erwachsenen zur Verfügung stehen, die zum Fußballspielen kommen; im Laufe einer Woche besuchen mehr als tausend Menschen dieses Sportzentrum. In diesem Oratorium ist auch die Salesianische Jugendbewegung sehr aktiv, vor allem für Jugendliche und Kinder, mit der Bewegung der Freunde von Domenico Savio, den Messdienern und Chören. In der Kapelle des Oratoriums finden täglich Gottesdienste statt, die für die Gemeinde zugänglich sind. Die salesianische Präsenz in diesem Oratorium umfasst auch eine Oberschule, die in einem Gebiet mit so großem Wachstum in der Stadt weiterhin einen unverzichtbaren Bildungsdienst leisten kann und perspektivisch in Bezug auf die Anzahl der Schüler und die Qualität ihrer Bildungsdienste wachsen sollte.

Das Oratorium San Juan Bosco befindet sich in der Kolonie Mariano Matamoros in El Florido. Es ist eine Oase des Friedens im östlichen Teil der Stadt und wir nennen es so, weil hier im Jahr 2022 auch 92 Morde verzeichnet wurden. Diese salesianische Präsenz befindet sich in einem Gebiet mit Siedlungen von Familien, die in den „Maquilas“ arbeiten, und dort hat die salesianische Arbeit eine breite und komplexe Präsenz entwickelt, die aus vier Einrichtungen besteht, und zwar der Don-Bosco-Notunterkunft (einem Heim für Frauen und Kinder, das seit Dezember 2021 in Betrieb ist), der Don-Bosco-Schule (einer Schule mit 200 Schülern, sowohl Jungen als auch Mädchen, die die Grundschule besuchen), dem Oratorium – Jugendzentrum (beherbergt Kinder, Jugendgruppen, Fußball- und Basketball-Meisterschaftsspieler, eine Folklore-Ballettgruppe, Workshops), der San-Juan-Bosco-Kapelle (bietet Gottesdienste mit einem großen Zustrom von Familien und Kindern, die die Katechese besuchen). Zusammen bilden diese Einrichtungen ein Integrationszentrum für die örtliche Gemeinde, das einer Vielzahl von Menschen (Migranten, Kindern, Jugendlichen, Familien) die Möglichkeit bietet, die salesianische Mission zu verwirklichen und den sozialen Bedürfnissen gerecht zu werden. Um diese Einrichtungen von großer sozialer Bedeutung zu schaffen, arbeiten die Salesianer mit verschiedenen zivilen und staatlichen Organisationen zusammen und treffen Vereinbarungen mit den Organisationen der Vereinten Nationen (UNHCR, IOM, UNICEF); außerdem arbeiten sie mit großer Offenheit und Flexibilität mit anderen Institutionen zusammen, die Unterstützung und Hilfe in den Bereichen Gesundheit und Bildung anbieten.

Der Salesianische Desayunador ist ein Sozialwerk, aus dem zwei Einrichtungen hervorgegangen sind (ein Frühstückszentrum und eine Notunterkunft für männliche Migranten), die ihrerseits eine breite Palette von Dienstleistungen für die Begünstigten anbieten. Das salesianische Werk befindet sich im nördlichen Zentrum der Stadt Tijuana. Seine Anfänge gehen auf das Jahr 1999 zurück, aber schon davor wurden in den Büros des Salesianischen Projekts „Tacos“ angeboten. Dieser Dienst zur Verpflegung von Armen und Migranten, die in der Stadt umherziehen, hat sich weiterentwickelt und wurde 2007-2008 mit eigenen Räumlichkeiten für diese Tätigkeit ausgestattet, in denen er derzeit tätig ist: Hier wird das Augenmerk auf gefährdete Migranten (Abgeschobene/Rückkehrer, Ausländer aus Zentral- und Südmexiko), Obdachlose, ältere Menschen, arme oder extrem arme Familien und hungrige Männer, Frauen und Kinder gelegt.

Zu den vielfältigen Angeboten gehören Frühstück (zwischen 900 und 1200 pro Tag), Telefonate ins Ausland (25 pro Tag), Duschen (bis zu 150 pro Tag, dreimal pro Woche), Haareschneiden, Lieferung von Lebensmitteln an arme Familien (3-5 pro Tag), Angebot zum Kleiderwechsel (bis zu 150 pro Tag, dreimal pro Woche) medizinische Versorgung (40-60 pro Tag), Rechtsberatung (8-20 pro Tag) zu Migrationsfragen, psychologische Hilfe, emotionale Unterstützung und Betreuung, Workshops zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen, Workshops (bildende Kunst, byzantinisches Mosaik, Alebrijes und Piñatas, Radioworkshop, etc. ), formeller und informeller Arbeitsaustausch (8-20 pro Tag), Verbindungen zu Rehabilitationszentren. Die Aktivitäten des Desayunador und des Zufluchtsorts werden mit Hilfe täglicher Freiwilliger (auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene) in verschiedenen Formen oder Zeiträumen unterstützt, wodurch eine große Offenheit für interinstitutionelle Zusammenarbeit entsteht.

Das Engagement der Salesianer in diesem großen Salesianischen Projekt Tijuana ist von grundlegender Bedeutung, denn die Stadt wächst weiter und ist nach wie vor die Grenzstadt mit den meisten Menschen, die sich in einer Mobilitäts- und Migrationssituation befinden; wenn man von Tijuana als Grenze spricht, meint man damit die am häufigsten überquerte Landgrenze der Welt. Mehr als 20 Millionen Fahrzeuge passieren diese Grenze und mehr als 60 Millionen Menschen reisen in einem Jahr über diese Grenze in die Vereinigten Staaten ein. Migration ist nach wie vor ein hochaktuelles Thema. In dieser Grenzstadt mit so vielen Migranten gibt es Probleme mit Menschenhandel, Drogenhandel und -konsum. Die Stadt Tijuana bietet nach wie vor große Chancen für die Erfüllung von Träumen, mit einer breiten Palette von Arbeitsplätzen, aber sie ist auch weiterhin eine Stadt mit einer hohen Kriminalitätsrate, eine der gewalttätigsten des Landes.

Zweifellos suchen Migranten, Kinder, Jugendliche und Familien beim Salesianischen Projekt Tijuana Hilfe und Hoffnung für den Aufbau ihrer Zukunft. Die salesianische Mission in Tijuana ist nach wie vor ein Ort, an dem die Träume Don Boscos und die Verwirklichung des Charismas der Salesianischen Familie lebendig werden können.

Die salesianische Präsenz in Tijuana lässt sich auch über ihre sozialen Netzwerke verfolgen: Facebook, Twitter, Instagram, YouTube.

Agustín NOVOA LEYVA, sdb
Leiter des Salesianerhauses Tijuana, Mexiko




Die missionarische Berufung entdecken

Die Erfahrung von Rodgers Chabala, einem jungen sambischen Missionar in Nigeria, der Don Bosco wiederentdeckt hat, als er seine Stätten besuchte.

Der junge Salesianer Rodgers Chabala gehört zu der neuen Generation von Missionaren, die dem neuen Paradigma entsprechen, das über geografische Grenzen und kulturelle Vorgaben hinausgeht: Von Sambia aus wurde er als Missionar nach Nigeria geschickt. Der Missionskurs, den er im vergangenen September erlebte, war ein einschneidender Moment für ihn, vor allem die Atmosphäre, die er an den Stätten Don Boscos einatmete – eine echte spirituelle Erfahrung.

Don Bosco begann seine Arbeit mit seinen eigenen Jungen, da er erkannte, dass sich niemand um die Seelen dieser jungen Piemontesen kümmerte, die oft wegen Diebstahls, Schmuggels oder anderer Verbrechen im Gefängnis landeten. Hätten diese jungen Männer einen vertrauenswürdigen Freund gehabt, jemanden, der sie unterrichtet und ihnen ein gutes Beispiel gibt, wären sie nicht dort gelandet, und so wurde Don Bosco von Gott zu ihnen gesandt. Wir können sagen, dass alles mit dem Neun-Jahres-Traum begann, den Don Bosco im Laufe der Zeit dank der Unterstützung vieler Menschen, die ihm beim Unterscheidungsvermögen halfen, nach und nach verstand. Sein pastoraler Wunsch, sich um die Seelen der jungen Menschen zu kümmern, erreichte dank der salesianischen Missionare die ganze Welt, angefangen mit der Gruppe von elf Personen, die 1875 nach Patagonien, Argentinien, geschickt wurde. Ursprünglich hatte Don Bosco nicht die klare Absicht, Missionare auszusenden, aber Gott hat diesen Wunsch mit der Zeit geläutert und dem salesianischen Charisma erlaubt, sich überall auf der Welt auszubreiten.

Die missionarische Berufung der Salesianer ist eine „Berufung in der Berufung“, ein Aufruf zum missionarischen Leben innerhalb der eigenen salesianischen Berufung. Von Anfang an verspürte Rodgers einen starken missionarischen Wunsch, aber es war nicht leicht, anderen seine Beweggründe verständlich zu machen. Zur Zeit seines Postulats, als er das salesianische Leben noch nicht gut kannte, war er von dem Zeugnis eines polnischen Missionars sehr beeindruckt und begann, mit sich selbst zu ringen, um die Absichten seines eigenen Herzens zu entschlüsseln. Als der Missionar fragte: „Wer will Missionar werden?“, zweifelte Rodgers nicht und schlug den Weg der Unterscheidung ein, beginnend mit der Antwort des polnischen Salesianers, mit der Liebe zu seinem eigenen Land zu beginnen. Offensichtlich gab es viele Herausforderungen und Momente der Entmutigung. Wie bei Don Bosco war auch für Rodgers die Hilfe und Vermittlung vieler Menschen unerlässlich, um die Stimme Gottes von anderen Einflüssen zu unterscheiden und die eigenen Absichten zu läutern. Gott spricht durch Menschen. Unterscheidung ist nicht nur ein individueller Prozess, sondern hat immer eine gemeinschaftliche Dimension.

Im vergangenen September nahm Rodgers an dem Ausbildungskurs für neue Missionare teil, der der offiziellen Aussendung durch den Generaloberen vorausgeht. Als er ein paar Tage nach den anderen ankam, traf er nach mehreren Jahren einige seiner Noviziatskameraden und seinen alten Leiter des Philosophie-Studentenheims wieder. Er schloss sich der Gruppe an und bemerkte sofort eine besondere Atmosphäre, lächelnde Gesichter und echte Freude. Die Überlegungen zur Interkulturalität und andere Einsichten, die die Missions-Abteilung lieferte, waren nützliche Hilfsmittel zur Vorbereitung auf die Abreise der Missionare. Während des Kurses hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, die Stätten Don Boscos zu besuchen, zunächst in Colle Don Bosco und dann in Valdocco. Don Alfred Maravilla, Generalrat für die Missionen, fragte die neu ernannten Missionare: „Welche Auswirkungen haben diese Besuche der heiligen Stätten Don Boscos auf Ihr Leben?“. Wenn man in Büchern über Don Boscos Leben liest, mögen Zweifel aufkommen und man mag sogar skeptisch sein, aber diese Stätten mit eigenen Augen zu sehen und die Atmosphäre Don Boscos einzuatmen, indem man seine Geschichte nachvollzieht, ist etwas, das man kaum nacherzählen kann. Neben der historischen Erinnerung an die Geschehnisse um Don Bosco, Dominikus Savio und Mama Margareta haben diese Stätten die Fähigkeit, das salesianische Charisma neu zu beleben und uns zum Nachdenken über unsere eigene Berufung anzuregen. Die Einfachheit und der Familiengeist Don Boscos zeigen, dass Armut kein Hindernis für die Heiligkeit und die Verwirklichung des Reiches Gottes ist. Wenn wir über Don Bosco sprechen, laufen wir oft Gefahr, den mystischen Teil auszulassen und uns nur auf die Aktivitäten und Werke zu konzentrieren. Don Bosco war wirklich ein Mystiker im Geiste, der eine innige Beziehung zum Herrn pflegte, und dies ist der Ausgangspunkt für seine Jugendmission.

So kommen wir zum 25. September 2022: Don Ángel Fernández Artime, der heutige Don Bosco, steht der Messe mit den Salesianern der 153. SDB-Missionsexpedition und den Schwestern der 145. FMA-Expedition in der Maria-Hilf-Basilika in Valdocco vor. Rodgers erinnert sich, dass er einige Tage zuvor seinen neuen Vorgesetzten der ANN-Provinz (Nigeria-Niger) getroffen und das Gewicht der Verantwortung für seine missionarische Entscheidung gespürt hatte. Während der Messe, sagt Rodgers, „erhielt ich das Missionskreuz und der Wunsch, Missionar zu werden, wurde weitgehend verwirklicht“.
„Ein für alle Mal – Die missionarische Berufung ist eine äußerst schöne Berufung, wenn die Reise der Unterscheidung sorgfältig abgeschlossen ist. Sie erfordert einen offenen Geist, um die Lebensweise anderer Völker zu schätzen. Beten wir also für alle Missionare in der Welt und für diejenigen, die sich für eine missionarische Berufung entscheiden, damit Gott sie in ihrem Leben leitet und inspiriert“.

Geliefert von,
Marco Fulgaro




Internationale Freiwilligenarbeit in Benediktbeuern

Don Bosco Volunteers: das Engagement junger Menschen für eine bessere Zukunft

Seit mehr als 20 Jahren engagiert sich die Deutsche Provinz der Salesianer Don Boscos im Bereich der Jugendfreiwilligendienste. Mit dem Programm „Don Bosco Volunteers“ bieten die Salesianer in Deutschland jedes Jahr rund 90 jungen Menschen eine Bildungs- und Lebenserfahrung in salesianischen Einrichtungen in der eigenen Provinz und in verschiedenen Ländern der Welt.

Für viele Schulabsolvent: innen in Deutschland ist es üblich, nach dem Schulabschluss ein Jahr ihres Lebens der sozialen Arbeit zu widmen. Für viele junge Deutsche ist das Profil der Salesianer eine Inspirationsquelle bei der Wahl einer Organisation, die sie bei dieser Erfahrung begleiten soll. Trotz der Säkularisierung der deutschen Gesellschaft und einem stetigen Verlust an Mitglieder: innen in der Kirche in den letzten Jahren klopfen viele junge Menschen an die Tür der Salesianer mit der klaren Absicht, anderen Menschen zu helfen und einen kleinen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten. Diese jungen Menschen finden in der Gestalt Don Boscos eine Form des Glaubens und ein Beispiel für ihr eigenes Leben.

Nicht alle, die sich bei den zuständigen Stellen der Provinz in Benediktbeuern und Bonn um die Aufnahme in das Freiwilligenprogramm bewerben, haben in ihrem Leben Erfahrungen in kirchlichen Jugendgruppen und insbesondere bei den Salesianern sammeln können. Einige von ihnen sind nicht getauft, erkennen aber im Bildungsangebot der Salesianer eine Möglichkeit für ein persönliches Wachstum, das auf grundlegenden Werten für ihre eigene Entwicklung beruht. Deshalb beginnen jedes Jahr so viele junge Menschen einen Freiwilligendienst mit dem Programm „Don Bosco Volunteers“: Während der Ausbildungswochenenden bekommen die Jugendlichen nicht nur nützliche Informationen über die verschiedenen Projekte, sondern kommen auch mit dem Präventionssystem und der Spiritualität der Salesianer in Berührung und bereiten sich so auf die Zeit vor, die sie in den Dienst anderer junger Menschen stellen werden.

Die Freiwilligen werden während ihres Einsatzes von einem Team begleitet, das sich nicht nur um die organisatorischen Aspekte, sondern vor allem um die Betreuung vor, während und nach dem Freiwilligeneinsatz kümmert. Denn das Freiwilligenjahr endet nicht mit dem letzten Tag des Dienstes in der jeweiligen salesianischen Einrcihtung, sondern geht ein Leben lang weiter. Dieses Jahr im Dienst am Nächsten stellt ein Wertefundament dar, das sich stark auf die zukünftige Entwicklung der Freiwilligen auswirkt. Don Bosco erzog damals junge Menschen, um sie zu aufrechten Bürgern und guten Christen zu machen: Das Programm Don Bosco Volunteers orientiert sich an diesem Grundprinzip der salesianischen Pädagogik und will die Grundlage für eine bessere Gesellschaft schaffen, in der christliche Werte wieder unser Leben prägen.

Die Deutsche Provinz bietet jungen Menschen in allen Phasen des Freiwilligendienstes Begegnungsmöglichkeiten: Orientierungstreffen, Online-Informationsangebote, Schulungen, Feste und jährliche Treffen zum Erfahrungsaustausch sind grundlegende Aktivitäten, auf denen der Erfolg des Programms „Don Bosco Volunteers“ beruht.

Ein Koordinationsteam, bestehend aus Mitarbeiter: innen der Jugendbildungsstätte Aktionszentrum in Benediktbeuern und der Missionsprokur in Bonn, unterstützt von Provinzökonom P. Stefan Stöhr und dem Jugendapastoralbeauftragten P. Johannes Kaufmann, steuert und leitet alle Aktivitäten und entwickelt das Programm in allen seinen Komponenten.

Die Erfahrung als Freiwillige beginnt mit der Bewerbung für das Programm: Junge Menschen, die am nationalen Programm teilnehmen, beginnen ihren Dienst im September und nehmen im Laufe des Freiwilligenjahres an 25 Bildungstagen teil. Für Freiwillige, die ins Ausland gehen wollen, ist der Weg etwas länger: Nach einer Orientierungsveranstaltung im Herbst wird eine Auswahl getroffen und die Kandidat: innen erhalten Informationen von ehemaligen Freiwilligen, die bereits an dem Programm teilgenommen haben. Die Ausbildungsphase beginnt in den ersten Monaten des Jahres und umfasst insgesamt 12 Vorbereitungstage, in denen die Freiwilligen Informationen über die Pädagogik Don Boscos, die Arbeit der Salesianer weltweit, wichtige Themen wie interkulturelle Kommunikation und Vorkehrungen für Notfälle während des Auslandsaufenthaltes erhalten. Im Juli erhalten die Freiwilligen den Segen und eine Don-Bosco-Medaille als Symbol der Zugehörigkeit zur Don Bosco Familie.

Die Abreise der Jugendlichen ist für September geplant, und gegen Mitte des Dienstes werden in den verschiedenen Regionen, in denen die Freiwilligen arbeiten, Reflexionstreffen angeboten, die vom Koordinationsteam der Deutschen Provinz organisiert werden. Die Erfahrung endet mit einem Abschlussseminar, kurz nach der Rückkehr vom Auslandsdienst, in dem die Grundlagen für ein zukünftiges Engagement in der Don Bosco Familie gelegt werden.

Jährlich werden in der Provinz zwei Treffen für all diejenigen organisiert, die seit Beginn der Aktivitäten in den 1990er Jahren an dem Programm teilgenommen haben. Das Koordinationsteam der Provinz kümmert sich um alle organisatorischen Aspekte: Suche nach salesianischen Einrichtungen, die an einer Zusammenarbeit im Bereich der Freiwilligenarbeit interessiert sind; Finanzierung der Aktivitäten durch ministerielle und europäische Mittel; Unterstützung bei Notfällen; Organisation der Krankenversicherung der Freiwilligen; Kommunikation mit den Familien der Freiwilligen.

Mehr als tausend junge Menschen haben in den vergangenen 25 Jahren bereits am Programm „Don Bosco Volunteers“ im In- und Ausland teilgenommen. Eine vor einigen Monaten von der deutschen Provinz durchgeführte Studie, an der rund 180 ehemalige Freiwillige teilgenommen haben, hat gezeigt, dass sich junge Menschen auch noch viele Jahre nach ihrem Freiwilligendienst sozial engagieren. Besonders deutlich wird das besondere Interesse der Befragten für Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Ökologie und nachhaltige Entwicklung. Diese Studie hat den Wert dieses Programms aufgezeigt, nicht nur im Hinblick auf die unmittelbare Hilfe, die die Freiwilligen ihren Gastgemeinden während ihres Dienstjahres leisten können, sondern auch im Hinblick auf die positiven Auswirkungen, die langfristig zu verzeichnen sind, wenn sie ihre akademischen Studien abgeschlossen oder ihren beruflichen Weg eingeschlagen haben.

Ein wichtiger Aspekt des Programms „Don Bosco Volunteers“ ist die Einbindung in nationale und europäische Programme wie das „Europäische Solidaritätskorps“ der Europäischen Kommission, die nationalen Förderprogramme des Bundesministerium für Familie und Jugend oder das „weltwärts“-Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, um das Ausbildungsangebot der Salesianer auf institutioneller Ebene sichtbarer zu machen. Ständige Qualitätskontrollen, die von den zuständigen Verbänden durchgeführt werden, bescheinigen alle zwei Jahre die Effizienz und Transparenz der im Rahmen des Programms „Don Bosco Volunteers“ angebotenen Bildungsangebote. Ein Aspekt dieser Qualitätskontrollen betrifft häufig die Zusammenarbeit zwischen unseren zuständigen Stellen und den Einsatzstellen in Deutschland und in verschiedenen Ländern der Welt. Dieses Detail unterscheidet das Angebot der Salesianer von vielen anderen privaten Freiwilligenagenturen, die mit verschiedenen Organisationen mit den unterschiedlichsten Profilen zusammenarbeiten.

Unsere Freiwilligen arbeiten ausschließlich in salesianischen Einrichtungen und werden speziell auf diese Lebenserfahrung vorbereitet. Dabei spielt es keine Rolle, ob Freiwillige in einem kleinen Dorf in Südindien oder in einer europäischen Metropole tätig sind. Es gibt etwas, das all diese jungen Menschen verbindet und dafür sorgt, dass sie sich während ihrer Erfahrung zu Hause fühlen: Don Bosco bietet ihnen mit seiner Präsenz in den Gastgemeinden einen Bezugspunkt im täglichen Leben und gibt ihnen in den schwierigsten Momenten Trost und Schutz. Natürlich wäre es zu einfach zu sagen, dass ein Freiwilligendienst immer reibungslos oder ohne Probleme verläuft: Insbesondere die Eingewöhnungsphase kann für die Freiwilligen verschiedene Integrationsprobleme mit sich bringen. Aber gerade in diesen Situationen ist ein Wachstum der jungen Menschen zu beobachten, die sich selbst, ihre Grenzen und ihre Ressourcen besser kennen lernen. Die Begleitung durch die SDB-Gemeinschaften und die Mitarbeiter der Koordinierungsstellen der deutschen Provinzen soll dazu beitragen, dass auch die schwierigsten Phasen dieser Erfahrung zu Gelegenheiten der Reflexion und des persönlichen Wachstums werden.

Die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, dass sich die Welt verändert, und die Angst, dass der Krieg die Aussicht auf eine gerechtere Gesellschaft zunichtemacht, scheint in den neuen Generationen zu wachsen. Das Programm „Don Bosco Volunteers“ soll ein Lichtblick und eine Quelle der Hoffnung sein, damit unsere jungen Menschen durch ihr Engagement eine bessere Zukunft für unseren Planeten aufbauen können.

Francesco BAGIOLINI
Benediktbeuern, Deutschland

Fotogalerie Internationale Freiwilligenarbeit in Benediktbeuern

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Internationale Freiwilligenarbeit in Benediktbeuern
Voluntariato internazionale a Benediktbeuern
Voluntariato internazionale a Benediktbeuern
Voluntariato internazionale a Benediktbeuern
Voluntariato internazionale a Benediktbeuern
Internationale Freiwilligenarbeit in Benediktbeuern





In memoriam. Don Davide FACCHINELLO, sdb

Ein Leben im Dienste der anderen. Don Davide FACCHINELLO, sdb

            Er wurde am 21. Mai 1974 in der tausendjährigen Stadt Treviso geboren und in der Pfarrkirche von Loria (Treviso), wo seine Familie lebte, getauft. Nach der Pflichtschule in seinem Geburtsort absolvierte er anschließend ein zweijähriges Praktikum an der Grafikschule des Instituts San Giorgio in Venedig, wo er die Salesianer kennenlernte. Erste Erfahrungen machte er in der Gemeinschaft der Salesianer in Mogliano Veneto und setzte sein Grafikdesign-Studium in Noventa Padovana fort, wo er seine Qualifikation erwarb. Dank dieser Erfahrungen lernte er die Aktivitäten des Oratoriums der Pfarrgemeinde in Mogliano, die Sommerbetreuung und die Ausbildungsgruppen kennen, die zu den Auslösern dafür wurden, dass er dem göttlichen Ruf folgte und 1993 in das Noviziat eintrat. Sein erster pastoraler Einsatz war am Salesianerkolleg Astori in Mogliano Veneto, wo er bis 2011 als Mittelschulkatechet tätig war. Danach erhielt er eine neue Aufgabe am Salesianer-Institut in Este und war Vikar der Gemeinde und pastoraler Animator der Schüler des Berufsbildungszentrums. In seinem Herzen hegte er den Wunsch nach einer pastoralen Erfahrung in den Missionsländern, und stellte sich zu diesem Zweck der Salesianischen Kongregation zur Verfügung. Da seine Vorgesetzten Peru als Zielort angegeben hatten, begann er sofort mit dem Studium der spanischen Sprache, die er während der Mission weiter vertiefte und zeitgleich in die lokale Kultur eintauchte.

            Nach seiner Ankunft in Peru im Jahr 2017 wurde er nach einer Eingewöhnungszeit in die Missionsgemeinschaft von Monte Salvado in der Region Cusco geschickt. Dort begann er als Pfarrvikar der Pfarrgemeinde Maria Hilfe der Christen in Quebrada Honda, im Yanatile-Tal, im Hochwald, wo die Salesianer die Andenmissionen betreuen. Nach fast zwei Jahren wurde er dort am 12. April 2019 zum Pfarrer ernannt.

            Gleich nach seiner Ankunft widmete er sich dem Kennenlernen der Menschen und stellte sich in ihren pastoralen Dienst, getreu den Anweisungen der Erzdiözese Cusco und in Zusammenarbeit mit der örtlichen Gemeinde. Da es sich um eine Mission-Pfarrgemeinde handelt, wollte er alle dreiundsiebzig Gemeinden besuchen und besuchte sie regelmäßig, reiste in die entlegensten Dörfer und erreichte die bescheidensten und abgelegensten Häuser in einer weitläufigen Region. Um den Menschen, denen er diente, noch näher zu kommen, begann er die Quechua-Sprache zu lernen.

            Er rief Hilfs- und Förderprojekte ins Leben, wie die Pfarrkantine und ein umfassendes psychologisches Hilfsprogramm, und als guter Salesianer gab er den Anstoß zu zahlreichen Oratorien in den verschiedenen Dörfern. Er hat die Erneuerung der Katechese nach dem Vorbild der Einführung in das christliche Leben in enger Abstimmung mit dem pastoralpädagogischen Projekt der Provinz vorangetrieben. Sein Engagement für die lokale Kirche war so groß, dass er vom Erzbischof von Cuzco zum Dekan der Region ernannt wurde. Die Bevölkerung bezeugt seine besondere Fürsorge für bestimmte Menschen (die Ärmsten der Armen), die David auf besondere und sehr diskrete Weise begleitet und gefördert hat.

            Die eingegangenen Meldungen bestätigen, dass er den Brüdern in der Gemeinschaft gegenüber freundlich und aufmerksam war, ein vorbildlicher Ordensmann und ein fleißiger und engagierter Apostel. Vom ersten Moment an gewann er mit seiner Freundlichkeit und seiner heiteren Gelassenheit die Herzen aller; dank seines Optimismus, seines gesunden Menschenverstands, seiner Besonnenheit und seiner Verfügbarkeit konnte er die Wertschätzung und das Vertrauen der Menschen, seiner Weggefährten, Mitarbeiter, Gemeindemitglieder und der Jugendlichen gewinnen.

            Neben all dieser apostolischen Arbeit war Davide ein sehr beliebter Bruder: Er liebte es, in der Salesianischen Gemeinschaft zu sein, die Brüder schätzten seine gute Laune und seine Fähigkeit, enge Bindungen zu schaffen.

            Die Jugendlichen von Monte Salvado (Schule für Jugendliche aus dem Regenwald, die die Missionsgemeinschaft der Salesianer besuchen) liebten ihn sehr, schätzten es, dass er in den Pausen gerne Zeit mit ihnen verbrachte, und waren beeindruckt von seinem Enthusiasmus, wenn er Katechese hielt: Ein wahres Sakrament der Gegenwart.

            Dort vollendete sich sein irdischer Weg: Am 24. Mai 2022 feierte er mit der Pfarrgemeinde das Fest der Mutter Hilfe der Christen. Auf der Rückfahrt kam er nach einem Autounfall, der sich gegen Mitternacht ereignet hat, in den Himmel. Möge seine letzte Feier für die Muttergottes ihn ins Paradies begleiten.

            Don Bosco sah im heiligen Franz von Sales zwei grundlegende Eigenschaften – die apostolische Nächstenliebe und Güte -, die er am meisten verkörperte. Ein Abbild dessen, was einer seiner Landsleute, Pater Antonio Cojazzi, zu sagen pflegte: „Fröhliches Gesicht, Herz in der Hand, so ist der Salesianer“.

            Wir hoffen, dass er uns vom Himmel aus viele und heilige Berufungen zukommen lässt, um die jungen Menschen auf ihrem irdischen Weg zu begleiten. Bis dahin lasst uns für ihn beten.

            Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen. Lass sie ruhen in Frieden.


Gedenkvideo




Missionar in Amazonien

Missionar in Amazonien zu sein bedeutet, sich vom Wald evangelisieren zu lassen

Die Schönheit der Ureinwohner am Rio Negro erobert die Herzen und bringt das eigene Herz dazu, sich zu verändern, zu erweitern, zu staunen und sich mit diesem Land zu identifizieren, bis zu dem Punkt, an dem es unmöglich wird, das „geliebte Amazonien“ zu vergessen! Dies ist die Erfahrung von Leonardo, einem jungen Salesianer im Herzen Amazoniens.

Wie ist die Idee, Missionar zu werden, in Ihrem Herzen entstanden?
Über viele Jahren ist dieser Wunsch in mir gereift, nachdem ich die Geschichten von Salesianer-Missionaren gehört hatte, ihr Zeugnis als Überbringer der Liebe Gottes in die Welt. Ich habe diese Brüder stets bewundert, die, nachdem sie die göttliche Liebe in ihrem Leben erfahren hatten, nicht schweigen konnten, sondern sich gezwungen sahen, diese anderen mitzuteilen, um auch ihnen die Möglichkeit zu geben, erleben zu dürfen, wie sehr sie von Gott geliebt werden. So kam es, dass ich um einen Auslandsaufenthalt bei den Missionsstätten der Salesianer in Amazonien unter den indigenen Völkern ansuchte. Im Jahr 2021 begann ich als Praktikant in der Missionsgemeinschaft von São Gabriel da Cachoeira im Bundesstaat Amazonien zu leben und zu arbeiten. Das Praktikum entwickelte sich zu einer richtigen „Missionsschule“, reichhaltig an neuen Entdeckungen und Erfahrungen, ungeahnten Herausforderungen und einer bis dahin völlig unbekannten Realität.

Was waren Ihre ersten Eindrücke, als Sie in dem unbekannten Land ankamen?
Vom ersten Moment an, als ich aus dem Flugzeugfenster blickte und die Weite des Waldes und die vielen Flüsse sah, machte es in meinem Kopf „Klick“: Ich bin wirklich in Amazonien! Wie ich es immer im Fernsehen gesehen hatte, so zeigt sich das Amazonasgebiet von überschwänglicher Schönheit, mit wunderschönen Naturlandschaften und wahren Meisterwerken Gottes, des Schöpfers. Ein weiterer, sehr schöner erster Eindruck ist es, so viele einheimische Brüder und Schwestern zu sehen, mit so auffälligen körperlichen Merkmalen, wie der Farbe ihrer Haut, ihren hellen Augen und ihrem schwarzen Haar. Wenn wir die Vielfalt und den kulturellen Reichtum Amazoniens sehen, gelingt es uns, uns an unsere eigene Geschichte, an unseren Ursprung wie Brasilien zurückzuerinnern und besser zu verstehen, wer wir als Volk sind.

 

Und warum ausgerechnet der Amazonas? Was macht diesen für Sie so besonders?
Die Kirche, einschließlich unserer Salesianischen Kongregation, ist im Wesentlichen missionarisch. In der nördlichen Region ist dies jedoch noch schwieriger, weil die Gebiete riesig sind, der Zugang – in der Regel über Flüsse – schwierig und kostspielig , die kulturelle und sprachliche Vielfalt groß ist und ein enormer Mangel an Priestern, Ordensleuten und anderen für die Evangelisierung und kirchliche Präsenz in diesem Gebiet geeigneten Führungspersönlichkeiten herrscht. Es gilt also viel und „schwere“, anspruchsvolle Arbeit zu leisten. Diese besteht nicht nur in der Durchführung der Besuche, der Predigt, der Feier der Sakramente, wie man sich ein Missionsleben vorstellen könnte, sondern vor allem, am Leben und an der Arbeit der hier lebenden Menschen  teilzunehmen, deren schwere Lasten mitzutragen und deren Entbehrungen, die Ausgrenzung und Vernachlässigung  durch die Politiker am eigenen Leib zu spüren; Stunden auf der Straße oder am Fluss zu verbringen; die Stiche der Insekten zu spüren; das Essen der einfachen Leute zu sich zu nehmen, welches mit den Gewürzen der Liebe, des Teilens und des Willkommens verfeinert ist; dem Zuhören von Geschichten  älterer Menschen, die sich oft Worten und Ausdrücken bedienen, die wir nicht gut kennen; schlammige Füße und Kleidung zu ertragen, ungeheizte Autos; ohne Internet und manchmal sogar ohne Strom zu sein. .. All das gehört zum Leben der Salesianer-Missionare in Amazonien!

Erzählen Sie uns etwas mehr über die Arbeit der Salesianer, wo Sie gelebt haben? Was tun die Salesianer für die jungen Menschen in der Region?
Eines der Ziele unserer Salesianer-Gemeinschaft in Sao Gabriel ist das Oratorium und die Sozialarbeit: Es ist der Spielplatz der Salesianer, unsere direkte Arbeit mit den Jugendlichen von „Gabriel“, die jeden Tag unser Oratorium besuchen und in unserem Haus einen Ort finden, an dem sie spielen, Spaß haben und mit ihren Freunden und Kollegen gesund leben können. Die jungen Leute hier lieben Sport, vor allem die nationale Leidenschaft, den Fußball. Da es in der Stadt nicht viele Freizeit- und Sportmöglichkeiten gibt, nehmen die Kinder unermüdlich an unserer Arbeit teil und beschweren sich, wenn es an der Zeit ist, die Tagesaktivitäten zu beenden. Unsere Tätigkeit erfasst täglich durchschnittlich 150 bis 200 junge Menschen. Außerdem bietet das Salesianische Missionszentrum Kurse für Jugendliche und junge Erwachsene an, wie z.B. Computer- und Backkurse.

Und wenn ein junger Mensch, der Sie kennenlernt und von Ihrem Charisma “angesteckt“ den Wunsch äußert, Salesianer zu werden, gibt es dann eine Möglichkeit zur Ausbildung?
Ja, seit einigen Jahren gibt es in unserer Gemeinschaft auch das „Centro de Formación indígena“ (CFI), das sich zum Ziel gesetzt hat, junge Indigene aus all unseren Missionsgemeinschaften zu begleiten und aufzunehmen, die eine Berufsbegleitung wünschen und bei der Ausarbeitung eines Lebensprojekts unterstützt werden möchten. Diese Begleitung ist das Indigene Bestreben der Salesianischen Missionsprovinz Amazonien (ISMA). Neben diesem Ausbildungsprogramm bietet das CFI Kurse in Portugiesisch, Salesianismus, Computer- und Backkurse, geistliche und psychologische Begleitung und eine schrittweise Eingliederung in das salesianische Leben an. Diese Art von Ausbildung wird in der Tat sehr von ihnen geschätzt, denn es sind die ersten Schritte auf dem Bildungsweg, die sie in ihrer Umgebung, bei ihren Leuten, mit der Zusprache und Unterstützung der Salesianer und der Laienanimateure setzen.

Sie sagten, dass es neben San Gabriel noch andere Missionsgemeinschaften gibt? Wie kann das sein? Wie funktioniert die Missionsarbeit in Rio Negro?
Unsere Gemeinde Sao Gabriel ist aufgrund der Vielzahl an Verbindungen und Dienstleistungen der Stützpunkt und kümmert sich um die Verbindung und die Logistik mit unseren Missionen im Landesinneren, insbesondere mit Maturacá (bei den Yanomami) und Iauaretê (im „Tukano-Dreieck“). In diesen Missionsgebieten gibt es keinen offiziellen Handel, und wenn doch, dann sind die Preise extrem hoch. Daher werden alle Einkäufe von Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Material für Reparaturen und Treibstoff für Boote, die bei den „Itinerâncias“ (pastorale Besuche in den Flussgemeinden) eingesetzt werden, sowie die Erzeugung von Strom durch Generatoren in São Gabriel getätigt und dann von uns per Flusstransport an diese Orte gebracht. Es ist eine sehr intensive manuelle Arbeit, denn wir müssen einkaufen und dann als sehr schwere Lasten auf Booten zu unseren Brüdern, die in den anderen Missionen leben und arbeiten, bringen. Wir transportieren Lebensmitteltaschen, Styroporboxen mit Fleisch und mehrere „Carotes“ (Plastikbehälter für Flüssigkeiten) mit je 50 Litern Kraftstoff. Außerdem verfügt unser Haus über mehrere Zimmer, die immer zur Verfügung stehen und bereit sind, die Missionsbrüder zu beherbergen, die auf der Durchreise nach São Gabriel sind, entweder auf dem Weg zu oder auf dem Rückweg von anderen Missionsstätten. Es ist ein richtiges Unterstützungs- und Vernetzungswerk.

Erinnern Sie sich bei diesen „pastoralen Besuchen“ entlang der Flüsse an ein einprägendes Erlebnis?
Ja, natürlich, in Bezug auf die „pastoralen Besuche“ gab es eine Erfahrung, die mich tief geprägt hat, die Fahrt nach Maturacá. Diese Tage standen für uns ganz im Zeichen des tiefgehenden Erlebnisses der Begegnung mit Gott: durch die Begegnung mit dem Anderen, mit denen, die anders sind als wir, mit unserem Nächsten. Denn damals unternahmen wir einen pastoralen Besuch (Itinerância) zu den Gemeinden des Yanomami-Volkes.
Neben dem Hauptsitz der Salesianer-Missionsstätte in Maturacá haben wir sechs weitere Gemeinden besucht (Nazaré, Cachoeirinha, Aiari, Maiá, Marvim und Inambú). Es waren intensive und herausfordernde Tage. Erstens, weil die einzelnen Gemeinden sehr weit voneinander entfernt sind und der Zugang nur über die Flüsse unseres geliebten Amazonas möglich ist, die in einem motorisierten Boot („Voadeira“ genannt) bei starker Sonne oder starkem Regen befahren werden. Zweitens handelt es sich um traditionelle Yanomami-Gemeinschaften, so dass ein Kulturschock unvermeidlich ist, da ihre Gewohnheiten, Bräuche und Lebensweisen völlig anders sind als die von uns Nicht-Indigenen. Drittens stellen sich praktische Herausforderungen, wie das Fehlen von Strom rund um die Uhr, kein Telefonsignal, wenig Auswahl und Vielfalt an Lebensmitteln, Baden und Wäsche waschen im Fluss, Leben mit Insekten und anderen Tieren des Waldes… Ein echter anthropologischer und spiritueller „Tauchgang“. Wir feierten in allen Gemeinden die Eucharistie und in einigen von ihnen mehrere Taufen, wir besuchten die Familien und beteten mit den Kindern. Es war eine fantastische Erfahrung der Begegnung, besondere Tage, Tage der Dankbarkeit, Tage der Rückbesinnung auf das Wesentliche unseres Glaubens und unserer salesianischen Jugendspiritualität: die Liebe zu Jesus, Frucht unserer persönlichen Begegnung mit ihm, und die Liebe zu unserem Nächsten, die sich in dem Wunsch äußert, bei ihm zu sein und sein Freund zu werden.

Diese bemerkenswerte „Wanderschaft“ hat in Ihrem Leben zweifelsohne viel zu lernen hinterlassen, nicht wahr?
Das Unterwegssein ist eine echte „Schule“ und lehrt uns das Leben: Losgelöstheit, denn je mehr „Dinge“ wir anhäufen, desto „schwerer“ wird die Reise; die Gegenwart leben, denn mitten in Amazonien, ohne Zugang zu Informationsmitteln, ist der einzige Kontakt die gegenwärtige Realität, das, was uns umgibt, der Wald, der Fluss, der Himmel, das Boot; Unentgeltlichkeit, denn wir stellen uns den Schwierigkeiten und der Müdigkeit, ohne Gesten menschlicher Dankbarkeit zu erwarten. Schließlich führt uns die geografische Wanderschaft zu einer „inneren Wanderschaft“, zur Umkehr, zur Rückbesinnung auf das Wesentliche im Leben und im Glauben. Auf den Flüssen Amazoniens zu segeln bedeutet, zu Flüssen im Landesinneren zu fahren.  In den Missionen zu sein, bedeutet, ständig dazu aufgefordert zu werden, sich von vorgefassten und starren Vorstellungen zu befreien, um freier zu sein, den anderen zu lieben und aufzunehmen und ihm die Freude des Evangeliums zu verkünden.
Eine ganz besondere Lektion, die ich jeden Tag in den Missionen lerne, ist, dass ich, um ein guter Missionar zu sein, jemand sein muss, der von der barmherzigen Liebe Gottes zutiefst geprägt und berührt ist, und nur aus dieser Erfahrung heraus kann ich bereit sein, überall „mitzunehmen“ und zu „zeigen“, wie Gott uns liebt und unser ganzes Leben verwandeln kann. Ich lerne auch, dass ich als Missionar diese Liebe aufnehme und zeige, vor allem mit meinem eigenen Leben, das ich der Mission gebe. Ohne ein Wort zu sagen, durch die einfache Tatsache, dass ich meine Herkunft verlasse und mich auf neue Kulturen einlasse, kann ich zeigen, dass die Liebe Gottes viel mehr wert ist als all die Dinge, die wir in unserem Leben für wertvoll halten. Deshalb ist das Leben des Missionars sein erstes und größtes Zeugnis und seine Verkündigung!

Sie haben diese missionarische Erfahrung gemacht, aber kann man sagen, dass auch Sie evangelisiert worden sind? Was hat Ihnen Zufriedenheit im Herzen gegeben?
In São Gabriel, der authentischsten der indigenen Gemeinden Brasiliens, in der 23 ethnische Gruppen leben und die multikulturell und mehrsprachig ist, wird mir jeden Tag bewusst, dass Gott uns nicht nur zu Missionaren beruft, sondern auch dazu, dass wir uns von der Schönheit und dem Geheimnis jedes Menschen und jeder Kultur unserer Welt verzaubern lassen. Nach dem Beispiel des Meisters Jesus, des Missionars des Vaters, sind wir daher aufgerufen, uns von allem zu „entleeren“, um uns mit den Schönheiten und Wundern zu „füllen“, die es in jedem Winkel der Erde gibt, und sie mit der Kostbarkeit des Evangeliums zu verbinden. Dies war eine der tiefgreifendsten Erfahrungen für mich.
Schließlich glaube ich, dass das Lächeln und die Schreie unserer Jungen und Mädchen, die spielen, rennen, hüpfen, einen Ball werfen und ihre Witze erzählen, Zufriedenheit hervorrufen; dass die neugierigen und strahlenden Blicke der Männer und Frauen des Waldes Freude hervorrufen; dass die Schönheit der Natur, die Großzügigkeit der Menschen und die Beharrlichkeit der Christen, die manchmal monatelang ohne die Anwesenheit eines Priesters ausharren, mit Liebe und Hingabe die kleinen Füße des Marienbildchens oder das Kreuz auf dem Altar betrachten und berühren. In den salesianischen Missionen von Rio Negro lernt man, ohne Exzesse zu leben, die Einfachheit zu schätzen und sich an den kleinen Dingen des Lebens zu erfreuen. Hier wird alles zu einem Fest, Tanz, Musik, Feier, Glaube? Hier lebt man in der gleichen Armut und Einfachheit wie am Anfang von Valdocco, wo Don Bosco, Mamma Margherita, das Kind Savio, Pater Rua und so viele andere lebten und geheiligt wurden. Der Aufenthalt in Amazonien bereichert uns als Menschen, Christen und Salesianer Don Boscos!

Gabriel ROMERO an den jungen Salesianer Leonardo Tadeu DA SILVA OLIVEIRA aus der Provinz São João Bosco in Belo Horizonte, Minas Gerais, Brasilien.

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Missionar in Amazonien
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Salesianische Familie. Wie die Äste eines Baumes

Ich hatte Don Bosco immer bewundert, seine Leidenschaft für junge Menschen, seine Spiritualität, die von Freude und Konkretheit geprägt war, aber ich wusste nicht, dass es eine große Familie um ihn herum gab. Als mich vor einiger Zeit jemand zum ersten Mal auf die Salesianische Familie ansprach, zeigte er auf eine große Eiche, die majestätisch vor mir stand, und sagte: „Sehen Sie sich diesen Baum an. Die Salesianische Familie ist so: Sie hat einen starken und soliden Stamm, der Don Bosco ist, fest verwurzelt in der Erde, in der konkreten Realität des Alltags – die Jugendlichen, die Armen, die Herausforderungen des Alltags, die auf Antworten warten, … – und sie hat viele Äste, die zum Himmel ragen – die verschiedenen Gruppen, die aus seinem Charisma entstanden sind. Es gibt Gruppen von Ordensleuten und Gruppen von Laien, Männer und Frauen, insgesamt zweiunddreißig Gemeinschaften, die dieselbe Spiritualität, dieselbe Leidenschaft für die Mission verbindet, aber jede verwirklicht sie auf ihre ganz eigene Weise!“

Mir gefiel das Bild des Baumes: Die Äste lagen dicht beieinander, wuchsen unabhängig voneinander, mit dem Stamm verbunden und von demselben Pflanzensaft genährt. Gemeinsam machten sie den Baum blattreich, üppig und zu einem außergewöhnlichen Unterschlupf für die vielen Vögel, die ihn zu ihrem Zuhause erkoren hatten. Es hätte auch ein Zuhause für mich sein können! Ich mochte auch den Begriff „Familie“: Er hörte sich gut an, er klang nach Vertrautheit, nach gegenseitiger Unterstützung.

Das erste, was mein Interesse geweckt hat, war die Tatsache, dass alle Gruppen zusammen – trotz ihrer Autonomie – eine große Gemeinschaft bilden, in der eine Atmosphäre der Brüderlichkeit und Freude, der Nähe und des Vertrauens gelebt wird. Dieser Stil kennzeichnet alle Gruppen: die Salesianer Don Boscos, die Töchter Mariä Hilfe der Christen, die Salesianischen Mitarbeiter, die Vereinigung Mariens, der Helferin (ADMA) und alle Gruppen, die im Laufe der Jahre von den „Söhnen Don Boscos“ gegründet wurden, jede mit ihrer eigenen Besonderheit. Es gibt Nonnen, die sich um Leprakranke kümmern, und solche, die ihre Mission in kleinen Zentren ausüben, wo andere nicht hinkommen; Ordensschwestern, die sich in den Dienst der Einheimischen stellen, und andere, die Kinder aufnehmen. Dann gibt es Gruppen von Laien, von jenen, die über die Medien evangelisieren, bis zu jenen, die sich über die Missionstätigkeit Ad gentes engagieren oder die sich dafür einsetzen, im sozialen Bereich präsent zu sein und die in den salesianischen Kreisen erhaltenen Werte zu vermitteln. Schließlich gibt es auch Säkularinstitute für Männer und Frauen mit geweihten Laien, die sich als Missionare in der Welt engagieren.

Eine große Vielfalt von Berufungen, die durch das eine Charisma, die einzigartige Spiritualität von Don Bosco vereint sind.

Auch ich wollte mich auf dieses Abenteuer einlassen. Im Laufe der Zeit habe ich verstanden, was „Zugehörigkeit“ bedeutet: So wie die Zugehörigkeit zu einer natürlichen Familie nicht nur bedeutet, den gleichen Familiennamen zu tragen, sondern auch an ihrer Geschichte teilzuhaben, ihre Werte, ihre Pläne und ihre Arbeit zu teilen, so ist es auch bei der Salesianischen Familie. Ihr anzugehören ist eine Entscheidung, eine Berufung, der man folgt, und von diesem Moment an wächst man zusammen, es werden Bindungen geschaffen und gestärkt, man träumt, plant und baut gemeinsam, man unterstützt, man LIEBT. Das ist der Sinn der Familie!

Bereits 2009 sagte der damalige Nachfolger Don Boscos, Pater Pascual Chavez, eindringlich: „An diese Familie richte ich die dringende Aufforderung, sich eine neue Mentalität anzueignen, sich immer als eine Bewegung zu verstehen und als solche zu handeln, mit einem intensiven Geist der Gemeinschaft (Einigkeit), mit einem überzeugten Wunsch nach Synergie (Einheit der Absichten), mit einer reifen Fähigkeit, in einem Netzwerk zu arbeiten (Einheit der Projekte)“.

Es handelt sich also nicht um eine Ansammlung von Gruppen, die wie Monaden selbstbezogen leben und den Weg der anderen ignorieren, sondern um die Antwort auf den Aufruf, in voller Gemeinschaft zu leben und eine echte kopernikanische Wende herbeizuführen! Es geht darum, dass man, wenn man sich einer salesianischen Gruppe anschließt, spürt, dass man nicht allein ist, dass man sich in erster Linie einer Familie, einer Bewegung apostolischer Spiritualität anschließt, die sich dann auf besondere Weise verwirklicht, um dieselbe Gabe zu leben. Es geht darum zu lernen, sich selbst als Teil eines Ganzen zu erkennen und zu verstehen, dass wir alle bereichert werden und bessere Ergebnisse erzielen können, wenn wir in Synergie mit anderen zusammenarbeiten. Es geht darum zu lernen, den Reichtum der Charismen der anderen zu erkennen, sich für das Wachstum nicht nur der eigenen, sondern auch der anderen Gruppen einzusetzen und eine Gemeinschaft aufzubauen, die aus der Achtung der Besonderheiten jedes Einzelnen, der Zusammenarbeit und der Wertschätzung aller besteht.

Don Bosco hatte wirklich eine originelle und faszinierende Intuition: Mit vereinten Kräften für eine wirksamere Mission!

In einem Brief an Kardinal Giovanni Cagliero (27. April 1876) schrieb Don Bosco: „Einst genügte es, sich im Gebet zu vereinen, aber jetzt, wo es so zahlreiche Möglichkeiten der Verderbnis gibt, vor allem zum Nachteil der Jugend beiderlei Geschlechts, ist es notwendig, sich auf dem Gebiet der Aktion und der Arbeit zu vereinen“.

Und auch im Salesianischen Bulletin vom Januar 1878 richtete er sich an die Mitarbeiter: „Wir müssen uns untereinander und alle mit der Kongregation vereinen. Lasst uns daher gemeinsam das gleiche Ziel anstreben und die gleichen Mittel einsetzen, um es zu erreichen. Vereinigen wir uns also als eine Familie mit den Verbindlichkeiten brüderlicher Nächstenliebe“.

Diese „Zusammenarbeit“ bedeutet aber nicht immer, dass man „Seite an Seite“ arbeiten und alle das Gleiche tun müssen, sondern vielmehr, dass man die persönlichen und sozialen Hintergründe der jungen Menschen zu verstehen weiß, dass man Möglichkeiten für Eingriffsstrategien findet, um gemeinsame Ziele zu erreichen, dass man sich koordiniert, in Synergie, in Gegenseitigkeit, in gemeinsamer Verantwortung und in der Verantwortung jedes Einzelnen.

Wie in jeder Familie hat auch in der Don Bosco Familie jeder seine eigene Rolle, aber alle streben nach den gleichen Zielen. Jede Gruppe hat ihre eigene Besonderheit, die es zu respektieren und zu schätzen gilt; sie hat ihre eigene Charakteristik, die nicht ausschließlich das Charisma ausschöpft, das der Geist durch Don Bosco der Kirche und der Welt geschenkt hat, sondern immer wieder neue und originelle Aspekte davon zum Vorschein bringt. Denn niemand kann behaupten, „Eigentümer“ des Charismas zu sein, sondern nur sein Hüter! Für die Salesianische Familie gilt, dass jede Gruppe ohne die andere unvollständig ist. All dies lässt mich an ein aus vielen Puzzleteilen bestehendes Gesicht von Don Bosco denken: Fehlen einige Teile, werden die Züge der Figur entstellt, das Gesicht ist nicht mehr erkennbar. Die einzelnen Teile zusammengefügt, ergeben einen perfekten Don Bosco.

Zusammen, in Gemeinschaft, um die Mission zu leben! Auf diese Weise können alle Gruppen am charismatischem Bildungswerk und seiner Vertiefung zusammenarbeiten; sie können, ausgehend von konkreten Situationen, gemeinsam planen und ein gemeinsames Engagement in dem Gebiet fördern, in dem jede ihre eigene „Spezialisierung“ anbieten kann; sie können in einem Netzwerk in einem brüderlichen Geist arbeiten, um effizienter zu sein.

Wir wissen sehr wohl, wie wichtig es heute ist, sich für eine gerechtere und menschlichere Welt einzusetzen; wie notwendig es ist, so vielen jungen Menschen Horizonte der Hoffnung zu zeigen; wie unerlässlich es ist, in einer Gesellschaft, die ständig dazu neigt, sich im Privaten zu verschließen, Solidarität, Einheit und Gemeinschaft zu bezeugen.

Ja, das ist wirklich eine schöne Familie!

Ich möchte Don Bosco meinen Dank singen, der, dem Heiligen Geist zur Verfügung stehend, einen Samen in die Erde gesät hat. Der Samen keimte und wurde zu einer großen Pflanze mit vielen Ästen, Blättern, Blüten: … zu einem großen Baum. Jetzt weiß ich, dass jeder, der die gleiche Leidenschaft wie Don Bosco empfindet, den gleichen Wunsch, sich für die Jugend, die Armen, und die Letzten einzusetzen, seinen Platz in den Zweigen der Kirche finden und dazu beitragen wird, die Welt zu verschönern.

Giuseppina BELLOCCHI




Von Kroatien nach Äthiopien: der missionarische traum don Boscos geht weiter

Von Kroatien nach Äthiopien: der missionarische traum don Boscos geht weiter

            Ein Interview mit Josip Ivan SOLDO sdb, einem kroatischen Don-Bosco-Missionar, der nach Äthiopien entsandt wurde und zu den Mitgliedern der 151. missionarischen Expedition gehörte. Die Berufung zum Missionar entsteht aus der salesianischen Berufung als eine Einladung, hinauszugehen und dorthin zu gehen, wohin der Herr uns ruft.

            Hallo zusammen, mein Name ist Josip SOLDO, ich bin ein kroatischer Salesianer, geboren in Bosnien-Herzegowina.

            Zunächst möchte ich sagen, dass meine Familie immer eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt hat: Ich habe drei Brüder und zwei Schwestern, von denen eine meine Zwillingsschwester ist, ich bin sehr stolz auf meine sechzehn Nichten und Neffen, meine Mutter Veronica lebt noch, mein Vater ist 2006 gestorben.

            Wenn ich auf meine Berufungsgeschichte zurückblicke, kann ich sagen, dass ich von klein auf den Wunsch verspürte, Priester zu werden. Ich war bereits im Alter von fünf Jahren Messdiener und habe diesen Dienst bis zur Mittelschule beibehalten. In meiner Jugend distanzierte ich mich jedoch von der Kirche und hielt nur die Tradition aufrecht, sonntags zur Messe und zur Beichte zu gehen, aber ohne wirkliches Interesse oder Engagement.

            Im Alter von 24-25 Jahren begann meine Bekehrung. Damals arbeitete ich in einer Fastfood-Firma und verspürte das Bedürfnis, mich wieder mit Gott zu verbinden, indem ich in meinen Arbeitspausen in der Bibel las. Das Wort Gottes drang langsam in mein Herz ein, und ich fühlte mich verwirrt. Ich war ein „normaler“ junger Mann, ich liebte es, in Diskotheken zu gehen, mit Freunden auszugehen und mich mit ihnen zu amüsieren, Mädchen auf mich aufmerksam zu machen und zu hoffen, eines Tages meine Seelenverwandte zu finden. Die Begegnung mit einem Salesianerpriester veränderte mein Leben, und ich fasste den Entschluss, mein Verständnis für das Charisma Don Boscos zu vertiefen, mit dem Wunsch, eines Tages Salesianerpriester zu werden. Zwei Jahre lang war ich in der Gemeinschaft vor dem Noviziat; ich musste Don Bosco wirklich kennen lernen, denn in meinem Wohnort gibt es keine Salesianer und es genügt zu sagen, dass man mich in meinem Dorf fragte, ob die Salesianer zur katholischen Kirche gehörten, weil man dachte, sie seien eine Sekte. Die Idee, armen jungen Menschen zu helfen, sie für ein besseres Leben auszubilden und sie Christus näher zu bringen, hat mich sofort fasziniert.

            Im Jahr 2016 zog ich nach Italien, nach Rom, wo ich drei Jahre lang blieb, zunächst im Noviziat in Genzano, wo ich am 8. September 2017 meine ersten Gelübde als Ordensmann ablegte, und dann in der Gemeinschaft San Tarcisio, um an der Päpstlichen Universität der Salesianer Philosophie zu studieren. In meinem Inneren spürte ich den starken Wunsch, weiter und weit weg zu gehen, , aber ich war noch nicht reif genug, um eine ernsthafte und schwierige Entscheidung wie jene des Missionslebens zu treffen. Als ich für mein Praktikum nach Kroatien zurückkehrte, wurde mir klar, dass meine Zweifel, Unsicherheiten, Ängste, mein Unbehagen oder meine Unerfahrenheit mich nicht davon abhalten konnten, Missionar zu werden. Gott wirkt durch uns, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind, und wir können uns nicht nur auf unsere eigene, begrenzte menschliche Kraft verlassen, er nutzt unsere Schwächen, unsere kleinen Details, um seine Größe zu zeigen. Es ist mir schon oft passiert, dass ich mich gut auf Treffen mit den Jugendlichen vorbereitet habe und sie sich dann oft nicht mehr an das Treffen erinnern konnten, aber sie erzählten mir, wie wichtig für sie die Dinge waren, die in informellen Momenten gesagt wurden, was ich oft gar nicht mitbekam. Ich verstand, dass Gott keine Superhelden braucht, sondern „nutzlose Diener“, die in ihrem Herzen den Wunsch haben, ihm zu dienen, und so schrieb ich meine Bewerbung an den Generaloberer, um Salesianermissionar ad gentes zu werden.

            Noch im selben Jahr, in dem die Covid-Pandemie ausbrach, erhielt ich von der Generalleitung die Antwort: Missionar mit Ziel Äthiopien! Der erste Schritt bestand darin, sich in Geduld zu üben, trotz der Einschränkungen durch den Gesundheitszustand und die Langsamkeit der Bürokratie bei der Beschaffung der erforderlichen Dokumente. In der Zwischenzeit habe ich mein Praktikum in den Gemeinschaften Split und Zagreb absolviert, zwei unterschiedliche Erfahrungen, bei denen ich die Gelegenheit hatte, viele heilige und junge Brüder kennen zu lernen, die mir das Gesicht und die Stimme Gottes gezeigt haben.

            Anfang September letzten Jahres kam ich endlich in Äthiopien an! Im „Bosco Children“ in Addis Abeba umgeben von jungen Leuten: viele von ihnen kommen von einem Leben auf der Straße, die Salesianer geben ihnen durch die Aufnahme im Zentrum eine zweite Chance.  Es gibt junge Flüchtlinge, junge Menschen, die aus ihrer Stadt oder ihrem Zuhause fliehen mussten, andere, die auf der Straße geboren und stets dort gelebt haben. Wir Salesianer bieten ihnen die Chance auf ein neues Leben, durch Bildung, Unterkunft und alles, was für ein menschenwürdiges Leben notwendig ist. Diejenigen, die in das Programm Bosco Children aufgenommen werden, leben dort zwei bis drei Jahre lang, bis sie bereit sind, wieder in ihre Familie oder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden. Ein weiterer Dienst, den ich in diesem Jahr geleistet habe, war der Aufbau der Website (boscochildren.com), mit der Hilfe und Unterstützung einiger engagierter Brüder aus Kroatien und der kroatischen Jugendbewegung Nova Eva. Da ich in der Vergangenheit bereits Erfahrungen als Koch gesammelt hatte, wurde mir vorgeschlagen, mit den Jugendlichen Brot zu backen: Jeden Tag backten wir Brot für das gesamte Zentrum und die Gemeinschaft, mit der Wunschvorstellung, eines Tages eine richtige Bäckerei mit Arbeitsplätzen und Ausbildungskursen zu eröffnen. Im Übrigen ist unser Zentrum in Abbis Abeda ein „Valdocco““: ein Bauernhof mit Kaninchen, Hühnern und Kühen, eine Schule für Automechaniker, Schreiner, Metallarbeiter, Elektriker, Köche und Schneider… alles, um unsere Jugend auszubilden und sie auf das Leben vorzubereiten.

            Der Kulturschock war für mich sehr groß: das andere Essen, eine Sprache, die ich nicht sofort lernen konnte, die Bräuche einer neuen Kultur… Ich habe viele Emotionen erlebt, war nervös und wollte mich oft abkapseln.

            Ich muss dem Missionssektor der Kongregation für den gerade zu Ende gegangenen Missionskurs danken, denn er war eine Gelegenheit, diesen Schockerlebnissen einen Namen zu verleihen und zu sehen, dass auch andere Missionare die gleichen Herausforderungen erleben und dass der Prozess der Inkulturation nicht einfach ist. Trotz der Schwierigkeiten spüre ich in meinem Herzen einen starken Wunsch, vorwärts zu gehen und mich selbst zu überwinden, denn ich weiß, dass ich mit der Zeit verstehen werde, dass der Herr im Missionsleben nicht viel verlangt, „Er verlangt alles“, um dir alles zu geben.

            Meine Ausbildung zum Priester wird durch den Beginn des Theologiestudiums fortgesetzt, bevor ich in die Mission zurückkehre. Sicherlich wird es neue Herausforderungen geben, aber es wird auch die Freude geben, dort zu sein, wo der Herr mich haben will, die Fülle des Wissens, dass das, was ich tue, Gottes Wille ist. Jetzt fühle ich, dass es nichts gibt, was dein Herz so erfüllen kann wie der Herr, wenn du dort bist, wo er dich haben will, wenn du weißt, dass dein Leben die Fülle des Sinns in seinem göttlichen Plan findet, und die Hoffnung, dass er dich nie aus den Händen geben wird, bis zur Ankunft im Paradies, in dem ich hoffentlich eines Tages mit vielen Brüdern sein werde.

Befragter: Marco FULGARO